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Arbeitsvertrag oder Werkvertrag? Bestehen von Scheinselbständigkeit?

Das BGB kennt verschiedene Vertragsarten, welche die Erbringung von Leistungen für die jeweils andere Partei zum Inhalt haben. In einem Werkvertrag gem. § 631 BGB wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werks verpflichtet. Geschuldet wird ein Erfolg. In einem Dienst-, bzw. Arbeitsvertrag gem. § 611 Abs. I BGB wird dagegen kein Erfolg geschuldet, sondern lediglich die vereinbarte Tätigkeit als solche. Der Arbeitnehmer ist weisungsgebunden, der Werkunternehmer unterliegt keinen Weisungen.

Für die Vertragsparteien einer Geschäftsbeziehung ist ein Arbeitsverhältnis nicht immer gewollt. In einem Arbeitsverhältnis sind Sozialabgaben und Steuern abzuführen, es ist Urlaub zu gewähren und Krankheitszeiten sind zu vergüten. Weiterhin sind erhebliche Meldepflichten einzuhalten und eine spezielle Lohnbuchhaltung vorzunehmen. Der Arbeitnehmer kann nur wenige Kosten steuerlich geltend machen, in Unternehmen mit in der Regel mehr als 10 Mitarbeitern genießt er Kündigungsschutz, der Arbeitgeber kann ihn also nur unter bestimmten Voraussetzungen entlassen.

Ein Werkvertragsverhältnis beinhaltet keine Verpflichtung, Sozialabgaben abzuführen. Der Unternehmer kann von seinen Einnahmen alle damit im Zusammenhang stehende Ausgaben abziehen, bevor er die Versteuerung vornimmt. Der Vertrag ist von beiden Seiten jederzeit kündbar, ggf. gegen Zahlung von Schadensersatz oder einer Teilvergütung. Da kein Arbeitsverhältnis entsteht, benötigt der Arbeitgeber hierfür keinen Headcount, der Betriebsrat ist bei Vertragsabschluss und –beendigung nicht zu beteiligen und vieles mehr. Die Vereinbarung eines Werkvertrages anstelle eines Arbeitsvertrages erscheint daher beiden Parteien aus vielen Gründen durchaus finanziell vorteilhaft.

Daher hat die Rechtsprechung (zuletzt bestätigt in BAG Urteil vom 25.09.2013, 10 AZR 282/12) einen Kriterienkatalog entwickelt, nachdem die Abgrenzung vorzunehmen ist, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Werkvertragsverhältnis besteht. Hierzu sind alle maßgebenden Umstände des Einzelfalles zu vermitteln, die sich aus dem Vertrag und seiner tatsächlichen Durchführung ergeben. Widersprechen sich Vertrag und Durchführung, ist die Durchführung maßgebend. Entscheidens ist also nicht, was auf dem Vertrag drauf steht, sondern was „drin“ ist. Hier gilt es aufzupassen. Sollte ein als Werkvertrag abgeschlossenes und abgerechnetes Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis klassifiziert werden, so führt dieses zu erheblichen negativen finanziellen Auswirkungen für beide Parteien. Die bisher nicht gezahlten Sozialabgaben sind nachzuzahlen, gezogene Vorsteuern müssen rückgängig gemacht werden, die Einnahmen des Arbeitnehmers ohne die vermeintlichen Betriebsausgaben versteuert werden u.v.m. Und nicht zuletzt besteht plötzlich ein Arbeitsverhältnis, ggf. mit Kündigungsschutz zwischen den Vertragsparteien. Darüber hinaus haftet der Arbeitgeber für die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und kann diese nur in sehr begrenztem Umfang vom Arbeitnehmer zurückfordern.

Abgrenzungskriterien

-       Ist ein bestimmtes Arbeitsergebnis (Erfolg) oder nur eine bestimmte Dienstleistung als solche geschuldet?

-       Ist der Leistende zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet? (z.B. Anwesenheitspflichten zu bestimmten Zeiten und/oder an bestimmten Orten, Anweisungen hinsichtlich Inhalt, Durchführung und Dauer der Tätigkeit).

MERKE: Nur wer seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen kann, ist selbständig!

-       Welche ausdrücklichen Vereinbarungen sind im Vertrag getroffen?

-       Wie wird das Vertragsverhältnis gelebt?

Wenn der Vertragsgegenstand erst im Rahmen der Leistungserbringung näher konkretisiert wird, wenn der Leistende organisatorisch in den Betrieb des Auftraggeber eingebunden wird, wenn der Leistende seine Tätigkeit dem Bedarf des Auftraggebers anpasst, überwiegen die Indizien, welche zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses führen.

Der freie Mitarbeiter

Die hier genannten Kriterien gelten auch, wenn anstelle eines Werkvertrags ein freies Mitarbeitsverhältnis vereinbart wurde. Auch hier müssen Weisungsunabhängigkeit und fehlende wirtschaftliche Abhängigkeit von nur einem Auftraggeber sichergestellt sein. Ansonsten liegt Scheinselbständigkeit mit den gleichen bereits geschilderten negativen Konsequenzen vor. Dieses ergibt sich aus § 7 Abs. I SGB IV. Hiernach liegt eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vor, wenn eine Tätigkeit nach Weisungen und innerhalb der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Zusätzlich liegt ein Arbeitsverhältnis vor, wenn der freie Mitarbeiter keine anderen Auftraggeber hat, keine Arbeitnehmer beschäftigt, die gleichen Arbeiten wie Arbeitnehmers des Auftraggebers erbringt, kein unternehmerisches Handeln an den Tag legt.

Wann wird ein Werkvertrag in Frage gestellt?

Man könnte nun meinen, die Abgrenzung sei nur akademischer Natur. Denn wenn beide Vertragsparteien mit dem Zustand zufrieden sind, wird der Sachverhalt nicht herauskommen und keine Konsequenzen entfalten. Doch diese Annahme schlägt fehl.

Regelmäßig, mindestens alle vier Jahre, finden Betriebsprüfungen bei Arbeitgebern durch die Sozialversicherungsträger statt. Wird hierbei das tatsächliche Bestehen einer Beschäftigung festgestellt, manifestieren sich die negativen Folgen, denn die Sozialversicherungsträger fordern die Ihnen entgangenen Beiträge nach. Darüber hinaus werden Statuskontrollen von Selbständigen vorgenommen, deren Ergebnis das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ein kann.

Auch im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung, insbesondere im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung kann die Thematik auffallen und ein Arbeitsverhältnis festgestellt werden.

Nicht zuletzt kommt das Ende eines Werkvertrags oder freien Mitarbeitsverhältnisses der leistenden Partei häufig ungelegen. Sie kann dann vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erheben und das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses feststellen lassen. So verhielt es sich auch in dem bereits zitierten Fall vor dem Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 282/12.

Handlungsempfehlung

Überlegen Sie es sich gut, ob Sie das Risiko eingehen wollen, ein Arbeitsverhältnis als Werkvertrag zu behandeln. Die rechtlichen und finanziellen Risiken sind erheblich und insbesondere für kleinere Betriebe mit geringer Liquidität kaum zu stemmen, sollten sie sich nachträglich realisieren. Das gleiche gilt für den betroffenen Werkunternehmer/freien Mitarbeiter, zumindest hinsichtlich möglicher steuerlicher Konsequenzen. Im Zweifel sollte ein Arbeitsvertrag oder ein Vertrag mit einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen abgeschlossen werden. Auch besteht die Möglichkeit, vor Vertragsschluss eine Statusfeststellung durchführen zu lassen.

Sind Sie sich unsicher, ob ein Werk- oder Arbeitsverhältnis vorliegt? Dann lassen Sie sich über die Möglichkeiten und vor allem die Sperrfristen beraten. Dr. Patrizia Antoni ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und wird Sie fachkundig beraten.

AHS Rechtsanwälte mit Büros in Köln und Bonn berät Arbeitnehmer und Arbeitgeber kompetent, vertraulich und verbindlich zu allen Fragen des Arbeitsrechts.

Beitrag veröffentlicht am
15. Juli 2014

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