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Beweiswert der AU Beweiswert der AU

Ist ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig, so ist er bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung verpflichtet, es sei denn, der Arbeitgeber macht von dem Recht Gebrauch, eine kürzere Vorlagefrist zu setzen. Im Arbeitsvertrag können dazu auch andere Fristen vereinbart werden. Kommt der Arbeitnehmer den für ihn geltenden Anzeigepflichten nicht nach, berechtigt dieser Umstand den Arbeitgeber unter anderem, die Lohnfortzahlung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 EFZG zu verweigern.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Von der Krankmeldung abzugrenzen ist die Krankschreibung. Durch die Krankmeldung informiert der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über seine Krankheit, sie ist somit lediglich informativer Natur. Die Krankmeldung muss immer erfolgen, auch und gerade dann, wenn der Gang zum Arzt aufgrund der Schwere der Krankheit nicht direkt erfolgen kann. Hingegen kann durch den gesetzlich festgeschriebenen Nachweis in Form der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer nachweisen. Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird eine große Bedeutung bemessen, nicht nur materiell-rechtlich, sondern vor allem auch prozessual. Im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung hat sie einen hohen Beweiswert, wenn es um Klagen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geht. 

Wann die AU angezweifelt wird

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit sind nach der gesetzlichen Regelung des  § 275 Abs. 1a SGB V insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen:   

- Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind 

- der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder

- die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist. 

Diese Punkte sind jedoch nicht abschließend, maßgeblich für Zweifel an einer AU können auch aus der Bescheinigung selbst hervorgehen oder durch das Verhalten des Arbeitnehmers hervorgerufen werden, wenn z.B. die AU direkt nach einer ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

Erschütterung des Beweiswerts

Bestehen seitens des Arbeitgebers aufgrund etwaiger Umstände Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, so muss der Arbeitgeber Tatsachen vortragen, die geeignet sind, ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu begründen und damit den Beweiswert zu erschüttern. Dabei sind grundsätzlich Spaziergänge oder leichte sportliche Tätigkeiten, sowie die Abwesenheit des Arbeitnehmers von seiner Wohnung noch nicht ausreichend, um die AU anzuzweifeln. Dies kann jedoch je nach Krankheitsbild auch anders ausgelegt werden.  Kann der Arbeitgeber den Beweiswert erschüttern, so muss der Arbeitnehmer erneut einen Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit erbringen, wenn er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend machen will. Der Arbeitnehmer muss auf andere Weise, z.B. indem er seinen Arzt als Zeugen benennt und ihn von der ärztlichen Schweigepflicht entbindet, nachweisen, dass er Arbeitsunfähig erkrankt war.

Entscheidung des BAG 

Die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2021, 5 AZR 149/21 , zeigt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Garantie für einen Entgeltfortzahlungsanspruch begründet: 

„Die auf Entgeltfortzahlung klagende Arbeitnehmerin kündigte am 8. Februar 2019 ihr Arbeitsverhältnis und legte der beklagten Arbeitgeberin eine ebenfalls auf den 8. Februar 2019 datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, wonach die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit „passgenau“ der Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses entsprach.“ 

Der Arbeitgeber weigerte sich, Entgeltfortzahlung zu leisten und das BAG gab ihm Recht. Der zeitliche Gleichlauf zwischen dem Zugang der Kündigung und der eingereichten AU, als auch die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses und dem voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit, war hier laut BAG „geeignet“, um den Beweiswert der AU zu erschüttern. Diese Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass ausschließlich die Erschütterung des Beweiswertes der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Klageabweisung führt. Denn die Arbeitnehmerin hatte die Möglichkeit, ihre Arbeitsunfähigkeit etwa durch Benennung des behandelnden Arztes als Zeugen und Entbindung seiner Schweigepflicht, einen weiteren Beweis zu erbringen. Die Arbeitnehmerin hat diesen Beweis jedoch im Laufe des Prozesses nicht erbracht, sodass ihre Klage auf Entgeltfortzahlung aufgrund dessen abgewiesen wurde.

Zusammenfassung

  • Für Arbeitgeber folgt, dass sie immer genau prüfen sollten, wie sich ein Arbeitnehmer im Fall einer Kündigung verhält.
  • Bestehen beim Arbeitgeber ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit seines Arbeitnehmers, so kann er die Entgeltfortzahlung zunächst verweigern.
  • Er sollte seine Zweifel aber auf Tatsachen stützen können, die auch das Arbeitsgericht ernsthaft an der tatsächlichen Erkrankung des Arbeitnehmers zweifeln lassen können.  
  • Nicht jede Krankschreibung nach einer Kündigung, ist geeignet, solche ernsthaften Zweifel zu wecken.
  • Es kommt somit immer auf den konkreten Einzelfall an. 

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Beitrag veröffentlicht am
2. September 2022

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