Unpfändbare Zuschläge für Nachtschicht sowie Sonn- und Feiertage
Schichtzuschläge für Wechselschicht, Nachtschicht, Sonn- und Feiertage können nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg und der Vorinstanz nicht gepfändet werden.
Weil diese Rechtsfrage jedoch grundsätzliche Bedeutung hat und andere Landesarbeitsgerichte teilweise eine andere Auffassung vertreten, wurde Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Der Beitrag erklärt die grundsätzliche Pfändbarkeit von Arbeitslohns und Zuschlägen und geht auf die Besonderheiten des hier geschilderten Falles ein.
- Grundsätzliches zur Pfändung
- Unpfändbare Zuschläge
- Zuschläge für Wechselschicht, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertage
- Zusammenfassung
- Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen
Grundsätzliches zur Pfändung:
Wenn ein Pfändungsbeschluss aus einer Forderung besteht, wird regelmäßig aus dem Lohn oder Gehalt des Schuldners ein Teil des Einkommens gepfändet. Das kann entweder im häufigen Fall der Privatinsolvenz, aber auch bei sonstigen Forderungen, die der Schuldner nicht beglichen und für die ein Vollstreckungstitel vorliegt, der Fall sein. Geregelt ist das Verfahren im Wesentlichen in den §§ 840 ff Zivilprozessordnung (ZPO). Grundsätzlich kann auch aus anderen Vermögenswerten gepfändet werden, aber gerade in der Privatinsolvenz ist regelmäßig das Arbeitseinkommen die einzig verbleibende Vermögensquelle.
Dem Schuldner verbleibt dabei immer ein Mindestanteil des Einkommens, der unpfändbar ist.
Hierdurch soll gesichert sein, dass der Schuldner seine Lebenshaltungskosten noch bestreiten kann. Die Pfändungsgrenze liegt derzeit (Stand März 2017) bei 1073,88 €, wenn keine weiteren Unterhaltsverpflichtungen bestehen. Wenn der Schuldner mehr verdient, wird nicht der gesamte Mehrbetrag gepfändet, sondern nur ein prozentualer Anteil des Mehrbetrags. Berechnungsbeispiele und Einzelheiten zu Sonderfällen finden Sie im Beitrag zur Pfändungsfreigrenze.
Weiterhin gibt es noch Lohnbestandteile, insbesondere einzelne Zuschläge, die ebenfalls unpfändbar ist, selbst dann, wenn sie über der Pfändungsfreigrenze liegen.
Unpfändbare Zuschläge:
Nach § 850a ZPO gewährt der Gesetzgeber dem Schuldner bestimmte Zuschläge, die nicht pfändbar sind. Dies soll auch der Motivation des Schuldners dienen, weiterhin arbeiten zu gehen und seine Schulden abzutragen.
- Unpfändbar sind demnach: 1. zur Hälfte die für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens; 2. die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses und Treugelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen; 3. Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen; 4. Weihnachtsvergütungen bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500 Euro; 5. Geburtsbeihilfen sowie Beihilfen aus Anlass der Eingehung einer Ehe oder Begründung einer Lebenspartnerschaft, sofern die Vollstreckung wegen anderer als der aus Anlass der Geburt, der Eingehung einer Ehe oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft entstandenen Ansprüche betrieben wird; 6. Erziehungsgelder, Studienbeihilfen und ähnliche Bezüge; 7. Sterbe- und Gnadenbezüge aus Arbeits- oder Dienstverhältnissen; 8. Blindenzulagen.
Umstritten ist jedoch, ob auch Wechselschichtzuschläge sowie Zuschläge für Nachtarbeit, Sonn- und Feiertage als Erschwerniszuschlag im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind oder ob hierunter nur solche Zuschläge fallen, die in der konkreten Arbeitstätigkeit liegen. Die rechtliche Frage dreht sich also darum, ob ungünstige Arbeitszeiten eine Erschwernis darstellen oder ob eine Erschwernis im Sinne der Norm nur dann anzunehmen ist, wenn die konkrete Tätigkeit besondere Widrigkeiten aufweist, beispielsweise weil die Arbeitstätigkeit körperlich besonders anstrengend ist.
Zuschläge für Wechselschicht, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertage:
In seinem Urteil vom 09.01.2015 (Az. 3 Sa 1335/14) hat das LAG Berlin-Brandenburg Zuschläge für Wechselschicht, Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertage als unpfändbar eingestuft, weil sie als Zuschläge für ungünstige Arbeitszeiten als Erschwerniszuschlag unter § 850a Nr. 3 ZPO fallen.
Der Kläger hat im Rahmen seiner Privatinsolvenz eine Abtretungserklärung bezüglich seines Einkommens an den Insolvenzverwalter abgegeben. Er ist als Lagerdienstführer im Öffentlichen Dienst angestellt und leistet dort auch Nachtdienst und Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Hierfür erhält er eine pauschale Wechselschichtzulage sowie die jeweiligen Zuschläge für die konkret geleisteten Arbeitsstunden im Rahmen der Nachtarbeit bzw. an Sonn- und Feiertagen.
Das Landesarbeitsgericht führt aus, dass der Begriff der Erschwerniszulage im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO nicht eng auszulegen ist und auch nicht nur solche Tätigkeiten als Erschwernis anzusehen sind, die im Rahmen einer konkreten Arbeit als besonders widrig anzusehen sind. Vielmehr bedeutet auch die Arbeit zu ungünstigen Zeiten (Nachtarbeit) sowie ein wechselnder Arbeitsrhythmus eine hohe körperliche Belastung. Darüber hinaus stellt die Arbeit zu ungünstigen Zeiten (Sonn- und Feiertage, aber auch die Arbeit an den Abend- und Nachtstunden) eine starke Einschränkung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben dar. Im Ergebnis stellen diese besonderen Arbeitszeiten daher eine Erschwernis dar und fallen unter § 850a Nr. 3 ZPO. Folglich sind die Wechselschichtzulage sowie die Zuschläge für Nachtarbeit und Sonn- und Feiertage unpfändbar.
Diese rechtliche Beurteilung wird im Wesentlichen auch von den Verwaltungsgerichten geteilt. Allerdings vertreten vereinzelt andere Landesarbeitsgerichte eine abweichende Auffassung. Um diese rechtliche Beurteilung von grundsätzlicher Bedeutung höchstrichterlich zu klären, wurde Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Zusammenfassung:
- Arbeitseinkommen darf grundsätzlich bis zur Pfändungsfreigrenze gepfändet werden.
- Es gibt jedoch auch Lohn- oder Gehaltsbestandteile, die nicht gepfändet werden dürfen, selbst wenn sie über der Pfändungsfreigrenze liegen.
- In § 850a Nr. 3 ZPO sind diese Bezüge aufgezählt. Hierzu zählen insbesondere Erschwerniszulagen.
- Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg sind auch Zulagen für eine Wechselschicht sowie Zuschläge für Nachtarbeit sowie Arbeit an Sonn- oder Feiertagen als Erschwerniszulage anzusehen und deshalb nicht pfändbar.
- Diese ungünstigen und unregelmäßigen Arbeitszeiten stellen nämlich eine hohe körperliche Belastung dar und erschweren die Teilnahme am sozialen und gesellschaftlichen Leben.
- Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage wurde Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen:
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Frau Nina Haverkamp ist Fachanwältin für Insolvenzrecht und Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht.
Dr. Patrizia Antoni hat den Fachanwalt für Arbeitsrecht und den Fachanwalt für Steuerrecht. Beide beraten Sie in allen arbeitsrechtlichen, insolvenzrechtlichen und steuerrechtlichen Fragen gerne.Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn.