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Weiterhin selbständig trotz Insolvenz

Insolvenzverfahren für Selbständige und Gewerbetreibende

Viele Unternehmen haben insbesondere nach der Corona-Zeit schwer zu kämpfen. Die Rückzahlung von Soforthilfen und der Wegfall von Kurzarbeitergeld bringen viele Unternehmer an ihre finanziellen Grenzen. Die Ersparnisse sind verbraucht, zugleich sind die Umsätze zu gering, um die gestiegenen Kosten abfedern zu können – es droht das Aus. Doch das muss nicht sein: Ein Insolvenzverfahren kann durchaus die Chance für einen wirtschaftlichen Neuanfang bieten, da hierbei Schuldnern ermöglicht wird, trotz Insolvenz weiterhin selbständig zu bleiben.

Steigende Insolvenzen durch Corona-Soforthilfe-Rückzahlung

Laut Statistischen Bundesamt ist die Anzahl der Insolvenzverfahren bei den Unternehmensinsolvenzen (Regelinsolvenzverfahren) steigend. Für viele betroffene Unternehmer ist dies bitter. Denn in den letzten drei Jahren haben die meisten mit viel Hoffnung in die Zukunft geschaut und gehofft, dass nach Corona alles wieder normal weiterläuft. Die Hoffnung hat sich oft nicht erfüllt und die finanziellen Polster sind nicht mehr da, um eine weitere Durststrecke zu überbrücken. Gerade die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen, mit denen fast niemand gerechnet hat, lässt die Insolvenzen steigen. Doch was viele Betroffene nicht wissen: Es ist trotz Insolvenz möglich, weiterhin selbständig zu bleiben.

Vorteile des Insolvenzverfahrens für Selbständige und Gewerbetreibende

Ein Insolvenzverfahren dauert mittlerweile nur noch 3 Jahre und seit kurzem löscht die Schufa den Eintrag bereits nach 6 Monaten nach Erteilung der Restschuldbefreiung (Stand: April 2023). Eine Chance für alle, in überschaubarer Zeit schuldenfrei zu werden und eine saubere Schufa zu haben.

Der Vorteil für Gewerbetreibende und Selbständige im Insolvenzverfahren: Sie können selbständig bleiben, sie können die Selbständigkeit aufgeben und eine Anstellung suchen oder Sie können auch eine neue Selbständigkeit beginnen. Egal für welchen Weg Sie sich entscheiden, die Gläubiger können aus den Altschulden nicht gegen Sie vorgehen. Praktisch heißt dies: wenn Schuldner im eröffneten Insolvenzverfahren selbständig bleiben bzw. ihr Gewerbe weiter betreiben, ist dieses unbelastet von den Altschulden möglich. Es gibt sozusagen sofort einen Reset und Sie können unbelastet unternehmerisch tätig sein.

Freigabe der selbstständigen Tätigkeit im Insolvenzverfahren

Im Insolvenzverfahren besteht ein Rechtsanspruch auf eine selbständige oder gewerbliche Tätigkeit . Soll die bereits bestehende, selbständige Tätigkeit im Insolvenzverfahren weitergeführt werden, so wird diese in aller Regel vom Insolvenzverwalter freigegeben.

Das bedeutet: Sie sind weiterhin der Chef und in alleiniger unternehmerischer Verantwortung. Und das ohne jede Vollstreckung wegen der Altschulden – wirtschaftlich sozusagen ein Neuanfang!

Und aufatmen können Insolvenzbetroffene wegen folgender Vorteile erst recht:

  • Die Wohnung des Schuldners ist geschützt; Das Inventar in der Regel pfändungsfrei.
  • Der PKW , der in der Regel für die Fortsetzung in der beruflichen/gewerblichen Tätigkeit benötigt wird, ist deshalb ebenfalls von der Verwertung ausgeschlossen.
  • Die Bargeldversorgung ist gesichert, wenn das Bankkonto als Pfändungsschutzkonto (P-Konto) geführt wird.
  • Der Schuldner ist weiterhin krankenversichert. Die Krankenversicherung kann wegen der Rückstände nicht die Leistungen einbehalten.

Wird im eröffneten Insolvenzverfahren die Selbständigkeit fortgeführt, haftet der Insolvenzverwalter für alle neu entstehenden Verbindlichkeiten persönlich. Daran hat er bei einer Vielzahl von Gewerbebetrieben und selbstständigen Berufen natürlich kein Interesse.

Dies gilt z.B. bei Gastronomiebetrieben aller Art und solchen gewerblichen Tätigkeiten, bei denen die Leistungen Zug um Zug gegen Barzahlung erbracht werden. Entsprechendes gilt bei Kleinbetrieben, in denen keine Arbeitnehmer oder nur wenige Arbeitnehmer beschäftigt sind.

Wenn es dem Insolvenzverwalter daher nicht möglich ist, den Schuldner dauerhaft zu überwachen, ist die Weiterführung des Gewerbes für den Insolvenzverwalter mit einem zu hohen Risiko behaftet. Deshalb wird er sich in solchen Fällen für die Freigabe entscheiden.

Dies bedeutet, dass:

  • Die gewerbliche/selbstständige Tätigkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens fortgesetzt wird.
  • Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der Altschulden nicht möglich sind.
  • Dem Schuldner grundsätzlich die unternehmerischen Gewinne zustehen.

Da der Schuldner im Falle einer Freigabe das finanzielle Risiko der Fortführung trägt, hat der Gesetzgeber entschieden, dass alle in der freigegebenen gewerblichen/selbstständigen Tätigkeit erzielten Gewinne beim Insolvenzschuldner verbleiben und nicht an den Insolvenzverwalter abzugeben sind.

Pfändungstabelle für Selbstständige

Der Schuldner trägt somit im Positiven wie im Negativen das volle unternehmerische Risiko. Er allein ist verantwortlich für die neuen Schulden und darf andererseits die Gewinne behalten. Er ist dem Insolvenzverwalter auch nicht Rechenschaft schuldig über den Erfolg der freigegebenen Selbständigkeit.

Der Schuldner muss jedoch den fiktiven pfändbaren Teil seines Einkommens an den Insolvenzverwalter abführen. Was bedeutet das?

Als Selbständiger hat der Schuldner kein Einkommen, wie ein Angestellter, sondern eben Gewinne. Es wird also geprüft, welches Einkommen der Schuldner mit seiner Tätigkeit erzielen würde, wenn er diese Tätigkeit als Angestellter erbringen würde. Von diesem Einkommen wird dann der pfändbare Teil berechnet. Maßgeblich ist auch für Selbstständige insoweit die Pfändungstabelle .

Das fiktive Netto-Einkommen wird in der Praxis mit dem Insolvenzverwalter abgestimmt und der abzuführende Betrag entsprechend festgelegt. Dieser muss nicht unbedingt monatlich abgeführt werden. Häufig wird auch eine quartalsweise oder jährliche Zahlung vereinbart.

Neue Selbständigkeit oder Gewerbeanmeldung trotz Insolvenz

Jedem Schuldner steht es frei, auch im Insolvenzverfahren eine neue gewerbliche/selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Das gilt für die Privatinsolvenz , genauso wie für die Firmeninsolvenz (Regelinsolvenz) .

Dies gilt selbst dann, wenn vor Einleitung des Insolvenzverfahrens ein Gewerbeuntersagungsverfahren erfolgt ist. Die Gewerbeuntersagung gilt nicht bei der Neuaufnahme einer gewerblichen Tätigkeit nach Insolvenzeröffnung. Auch in diesen Fällen ist daher eine zweite Chance gegeben, um wieder unternehmerisch tätig zu werden.

Schuldner, die sich für eine neue selbständige oder gewerbliche Tätigkeit entscheiden, müssen dies vorab mit dem Insolvenzverwalter besprechen. Auf keinen Fall sollte ohne Absprache einfach ein Gewerbe angemeldet werden.

Ein Insolvenzverfahren ist also nicht nur Schreckgespenst sondern bietet durchaus auch erhebliche Chancen, wieder finanziell, wirtschaftlich und auch gesundheitlich auf die Beine zu kommen.

Zusammenfassung selbständig trotz Insolvenz

  • Auch während der Insolvenz besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf gewerbliche und selbstständige Tätigkeit.
  • Deshalb kann die Insolvenz unter Umständen auch neue Chancen und einige Vorteile bieten.
  • In der Regel gibt der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit frei.
  • Nach der Freigabe kann der insolvente Schuldner die selbstständige Tätigkeit autonom ausführen und im Rahmen der pfändungsfreien Beträge sogar seinen Gewinn teilweise behalten.
  • Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der Altschulden sind in der Regel ebenfalls ausgeschlossen.
  • Selbst bei einer Gewerbeuntersagung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Selbständigkeit im Insolvenzverfahren weiterhin möglich.


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Beitrag veröffentlicht am
20. April 2023

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