Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz im Arbeitsrecht
Leidensgerechter Arbeitsplatz – was bedeutet das?
Manchmal kann ein Arbeitnehmer die ihm ursprünglich zugewiesenen Tätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der vereinbarten Art und Weise ausüben. Die damit verbundenen, häufigeren krankheitsbedingten Abwesenheiten des Arbeitnehmers führen im Regelfall zu einer Unzufriedenheit beider Parteien. Es ist daher sinnvoll, in diesen Fällen rechtzeitig das gegenseitige Gespräch zu suchen und zu überlegen, ob den unerwünschten Folgen durch einen leidensgerechten Arbeitsplatz begegnet werden kann. Dabei zeichnet sich ein leidensgerechter Arbeitsplatz dadurch aus, dass er den eingeschränkten, gesundheitlichen Anforderungen des Arbeitnehmers entspricht.
Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung
Voraussetzungen für eine leidensgerechte Beschäftigung
Grundvoraussetzung für den Anspruch auf eine leidensgerechte Beschäftigung ist, dass der aktuelle Arbeitsplatz nicht leidensgerecht ist. Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der betroffene Arbeitnehmer immer wieder oder dauerhaft krankgeschrieben ist und die Erkrankung auf die Tätigkeit/den Arbeitsplatz zurückzuführen ist. Ob dies der Fall ist, wird in der Regel im Rahmen eines (freiwilligen) BEM-Gesprächs oder in sonstiger offener Kommunikation zwischen den Parteien ermittelt.
Die weitere Voraussetzung für einen leidensgerechten Arbeitsplatz ist, dass es entweder einen freien Arbeitsplatz beim Arbeitgeber gibt, welcher im konkreten Fall leidensgerecht wäre, oder wenn der vorhandene Arbeitsplatz mit zumutbaren Mitteln in leidensgerechte Art und Weise ausgestaltet werden kann.
Leidensgerechter Arbeitsplatz bei Schwerbehinderung
Eine gesetzliche Normierung des Anspruchs auf eine leidensgerechte Beschäftigung besteht lediglich in § 164 Abs. 4 SGB IX . Demnach besteht für Schwerbehinderte insoweit ein Anspruch, dass der Arbeitgeber den Arbeitsplatz, die Arbeitsorganisation und auch die Arbeitszeit so ausgestalten muss, dass die Arbeitstätigkeit mit der vorhandenen Beeinträchtigung ausgeübt werden kann. Sofern zumutbar, sind vom Arbeitgeber entsprechende Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen, welche die Ausübung der Tätigkeit erleichtern.
Leidensgerechter Arbeitsplatz bei gesundheitlicher Einschränkung
Für gesundheitlich eingeschränkte Arbeitnehmer ohne Schwerbehinderung wird ein Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB abgeleitet. Der Arbeitgeber ist nach der Rechtsprechung des BAG verpflichtet, sein Direktionsrecht auszuüben, wenn für ihn im konkreten Fall die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes möglich und zumutbar ist (vgl. z.B. BAG BAG, Urteil vom 19. 5. 2010 - 5 AZR 162/09 ).
Fazit zum Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung
Da der Arbeitgeber verpflichtet ist, auf gesundheitliche Umstände des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, besteht ein Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung nicht nur dann, wenn eine Schwerbehinderung oder eine Gleichstellung vorliegen. Allerdings geht die Fürsorgepflicht nicht soweit, dass auf sämtliche Befindlichkeiten der Arbeitnehmer Rücksicht genommen werden muss. Das Vorhandensein der erforderlichen Voraussetzungen ist im Einzelfall konkret vom Arbeitnehmer nachzuweisen. Allein die Behauptung, Nachtdienste würden gesundheitlich beeinträchtigend wirken, genügt also nicht, um von diesen entbunden zu werden.
Muss der Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz freimachen?
Grundsätzlich gilt das zwischen den Parteien im Arbeitsvertrag vereinbarte. Ein Arbeitnehmer, der als Lagerist in Vollzeit eingestellt ist, ist daher auch als Lagerist in Vollzeit zu beschäftigen bzw. hat genau diese Aufgaben zu verrichten. Lediglich wenn ihm diese Tätigkeit aus nachgewiesenen gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr oder nicht mehr in Vollzeit möglich ist, ist zu prüfen , ob und in welcher Art und Weise ein leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann. Sollte dies nicht möglich sein, kommt nach den üblichen Voraussetzungen insbesondere zur Gesundheitsprognose gegebenenfalls eine personenbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber aufgrund der Erkrankung des Arbeitnehmers in Betracht.
In manchen Fällen kann die leidensgerechte Ausstattung eines Arbeitsplatzes schon durch bessere Arbeitsmittel oder eine andere Arbeitszeitgestaltung erreicht werden. Sofern es im Unternehmen einen zumutbaren, freien Arbeitsplatz gibt, kann der Arbeitnehmer im Rahmen der Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers auch auf diesen versetzt werden. Es besteht allerdings im Regelfall kein Anspruch darauf, dass ein anderer Arbeitnehmer quasi im Wege der Rotation einen leidensgerechten Arbeitsplatz freimacht. Dieses ist nur ausnahmsweise dann der Fall, wenn diese Rotation vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist, die Zuweisung des geänderten Arbeitsplatzes dem anderen betroffenen Arbeitnehmer gegenüber billigem Ermessen entspricht und dieser nicht widerspricht. Keinesfalls muss der Arbeitgeber einen Rechtsstreit mit einem weiteren Arbeitnehmer riskieren, um dem Verlangen eines Arbeitnehmers auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz nachzukommen.
Was passiert, wenn kein leidensgerechter Arbeitsplatz erbracht wird?
Wenn und soweit im Einzelfall ein Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz besteht und vom Arbeitgeber nicht erfüllt wird, kann der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz wegen Annahmeverzugs haben. Der Anspruch ist auf den Lohn gerichtet, der dem Arbeitnehmer dadurch entgangen ist, dass er in der Vergangenheit nicht leidensgerecht beschäftigt wurde.
Zusammenfassung leidensgerechte Beschäftigung
- Nicht jeder Arbeitsplatz ist lebenslang für die dort beschäftigten Arbeitnehmer geeignet. Dieses ist z.B. dann der Fall, wenn der Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nicht mehr wie vereinbart ausgeübt werden kann.
- Ein Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz besteht sowohl für Schwerbehinderte als auch für sonstige gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitnehmer .
- Voraussetzung für die Durchsetzung des Anspruchs auf leidensgerechte Beschäftigung ist ein geeigneter freier Arbeitsplatz bzw. das Vorhandensein von zumutbaren technischen Arbeitshilfen oder die Möglichkeit einer anderen Arbeitszeitgestaltung.
- Nur in besonderen Ausnahmefällen kann ein leidensgerechter Arbeitsplatz im Zusammenhang mit der Rotation anderer Arbeitnehmer erreicht werden.