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Abrufarbeit und Arbeitszeit im Arbeitsvertrag nach § 12 TzBfG

Mit Inkrafttreten der neuen Fassung des § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) am 1. Januar 2019 hat der Gesetzgeber umfangreiche Änderungen in Bezug auf Abrufarbeit vorgenommen. Hintergrund ist, dass Arbeitnehmer, welche Arbeit auf Abruf leisten, mehr Planungs- und Einkommenssicherheit erhalten sollen.

Vorliegen von Abrufarbeit

Damit § 12 TzBfG überhaupt Anwendung findet, muss Abrufarbeit vereinbart sein. Ein Abrufarbeitsverhältnis im Sinne des § 12 TzBfG liegt vor, wenn im Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nur auf einen bestimmten Zeitraum bezogen festgelegt wird, sodass der Arbeitgeber entscheiden kann, wie viel Arbeit er an welchem Tag in Anspruch nehmen will.

Bei einem Abrufarbeitsverhältnis ist ein fester Stundenlohn vereinbart und ebenfalls die Anzahl der Wochenarbeitsstunden. Es ist dem Arbeitgeber überlassen, ob er die Arbeitsleistung abrufen möchte. Dabei hat der Arbeitgeber gemäß § 12 Abs. 3 TzBfG zu beachten, dass der Arbeitnehmer nur zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber ihm die Tage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.

Anforderungen an das Abrufarbeitsverhältnis

Das heißt aber nicht, dass der Arbeitgeber auf einen Einsatz der Arbeitskräfte in einer Woche komplett verzichten kann. Er darf gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine vereinbarte Mindestarbeitszeit nur um bis zu 20 Prozent unterschreiten. Im Falle einer vereinbarten Höchstarbeitszeit darf er gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nur 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit mehr abrufen.

Wenn keine Stundenzahl vereinbart ist, gilt gemäß § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG die Fiktion von 20 Stunden in der Woche.

Der Gesetzgeber wollte so durch die Neufassung des § 12 TzBfG sicherstellen, dass Arbeitnehmer einerseits keinen großen Lohnausfall haben und andererseits nicht erheblich mehr Stunden als vereinbart auf Abruf ableisten müssen.

Zusätzlich ist zu beachten, dass gemäß § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch nehmen muss, wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist.

Hat der Ar­beit­neh­mer in der Ver­gan­gen­heit re­gelmäßig mehr als 20 St­un­den pro Wo­che und/oder deut­lich mehr als drei St­un­den am Tag ge­ar­bei­tet, findet die Vermutung des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG keine Anwendung, da dies dem Arbeitnehmer zum Nach­teil gereichen würden.

Schichtarbeit

Auch wenn Arbeitnehmer im Rahmen der Schichtarbeit regelmäßig an unterschiedlichen Tagen ihrer Arbeit nachgehen, handelt es sich hierbei nicht um ein Abrufarbeitsverhältnis. Zumindest, wenn es sich um Vollzeitkräfte handelt. Dementsprechend findet § 12 TzBfG keine Anwendung.

Anwendbarkeit auf Vollzeitbeschäftigte

Vor der Novellierung des § 12 TzBfG war streitig, ob die entsprechenden Regelungen auch auf Vollzeitbeschäftigte Anwendung finden. Der Streit ist weiter aktuell, da der Gesetzgeber hierzu keine Aussage getroffen hat. Vollzeitbeschäftigte unterscheiden sich von Teilzeitbeschäftigen nur dadurch, dass deren Arbeitszeit meist zwischen 35-40 Stunden pro Woche beträgt.

Auch wenn in der Praxis der Großteil der Vollzeitbeschäftigten eine gleichmäßig verteilte Arbeitsleistung über die Woche verbringt, zeigt die Praxis, dass dies nicht alle Vollzeitbeschäftigten betrifft.

Die unterschiedliche Einordnung hat zur Folge, dass bei Bejahung der Anwendung des § 12 TzBfG auf Vollzeitbeschäftigte der Arbeitgeber diese gemäß § 12 Abs. 3 TzBfG ebenfalls mindestens vier Tage im Voraus über den Arbeitseinsatz informieren muss.

Die Novellierung des § 12 TzBfG sollte nicht nur der Einkommenssicherheit dahingehend dienen, dass der Arbeitgeber ein relativ stabiles Einkommen im Monat zur Verfügung hat, sondern auch der Planungssicherheit. Die ist nur dann konsequent gewährleistet, wenn auch alle Arbeitnehmer auf Abruf – also auch Vollzeitangestellt – vom Anwendungsbereich des § 12 TzBfG umfasst sind.

Sonderfall Minijob

Die Neufassung des § 12 TzBfG hat aber auch zu Unsicherheiten bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern geführt. Dies gilt besonders für Angestellte auf 450€-Basis, bei denen keine genaue Arbeitszeit konkretisiert ist, so dass rechtlich gesehen Abrufarbeit vorliegt.

Dies war nach alter Gesetzeslage unproblematisch, da § 12 Abs. 1 S. 2 TzBfG a.F. bei fehlender Vereinbarung eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden vermutet hat. Bei einer Bezahlung nach Mindestlohn, der in Jahren 2015 – 2020 bei 8,50€ bis 9,35€ gelegen hat, blieb der Arbeitnehmer so regelmäßig unter der sozialsicherungsfreien Grenze von 450€.

Da die neue Fassung des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG eine Vermutung von 20 Arbeitsstunden in der Woche aufstellt, wird der ursprüngliche Minijob wegen der Überschreitung der 450€-Grenze in einen sozialversicherungspflichtigen Job umgewandelt. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der Betriebsprüfung nachträglich eine Sozialversicherungspflicht festgestellt werden kann. Der Arbeitgeber muss dann Sozialbeiträge auf Grundlage der fiktiven 20 Arbeitsstunden nachzahlen.

Fazit

Der Gesetzgeber hat mit der neuen Fassung des § 12 TzBfG Arbeitnehmern, die auf Abruf arbeiten, mehr Sicherheiten gegeben.

Mit der 20-Stunden-Fiktion wird zum einen das exzessive Überschreiten der bislang unterstellten zehn Wochenarbeitsstunden kompensiert. Zum anderen hat der Gesetzgeber die bislang von der Rechtsprechung aufgestellten Grenzen von 25 Prozent zusätzlicher Mindestarbeitszeit bzw. 20 Prozent weniger Höchstarbeitszeit übernommen. So kann der Arbeitgeber nicht mehr nach Lust und Laune seine Angestellten unter bzw. über der vereinbarten Stundenanzahl beschäftigen.

Wenn Sie als Arbeitgeber eine wirksame Vereinbarung über die wöchentliche Arbeitszeit getroffen haben, sind Sie von den Änderungen nicht betroffen.

Wir beraten Sie gerne diesbezüglich!

  • Wenn nichts anderes vereinbart ist, gilt gemäß 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG eine Fiktion von 20 Wochenarbeitsstunden.
  • Wenn keine tägliche Arbeitszeit festgelegt ist, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gemäß 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG für mindestens drei am Tag beschäftigen.
  • Der Arbeitnehmer muss den Arbeitnehmer gemäß 12 Abs. 3 TzBfG mindestens vier Tage im Voraus über den Beginn seiner Abrufarbeit informieren.
  • Bei einer vereinbarten Mindestarbeitszeit darf der Arbeitgeber gemäß 12 Abs. 2 S. 1 TzBfG maximal 25 Prozent mehr abrufen.
  • Ist eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf das Abrufen der Arbeitsleistung diese gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 TzBfG um höchstens 20 Prozent unterschreiten.

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen:

Welche Fehler bei einer Betriebsvereinbarung erheblich sind, zur Unwirksamkeit führen oder ggf. nachträglich geheilt werden können, ist ebenso wie die Frage der Rechtsfolge einzelfallabhängig. Wir beraten Sie gerne im gesamten Kollektivarbeitsrecht und allen wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen.

Dr. Patrizia Antoni ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie berät Sie in allen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen gerne.

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Beitrag veröffentlicht am
17. Juli 2020

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