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Urlaubsanspruch bei befristeten Arbeitsverträgen

Wie viel Urlaubsanspruch hat man bei kurzfristiger Beschäftigung?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 17.11.2015 (BAG 9 AZR 179/15) eine Grundsatzentscheidung zum Urlaubsanspruch bei befristeten Arbeitsverträgen bzw. vorzeitigem Ausscheiden getroffen.

Wenn ein Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr nicht durchgehend bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist, ist die Berechnung seines tatsächlichen Urlaubsanspruches von verschiedenen Faktoren abhängig. Denn nach § 4 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) wird der volle Urlaubsanspruch erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.

Dieser Beitrag gibt in Anlehnung an BAG 9 AZR 179/15 einen Überblick, welcher Urlaubsanspruch bei kurzfristiger Beschäftigung oder einem nachträglichen Eintreten im laufenden Jahr einem Arbeitnehmer zusteht.

Grundsätzliches zum Urlaubsanspruch bei kurzfristiger Beschäftigung

Der Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz beträgt bei fünf Arbeitstagen pro Woche insgesamt 20 Urlaubstage, bei sechs Arbeitstagen pro Woche insgesamt 24 Urlaubstage, vgl. § 3 BUrlG .

Aus Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann sich aber eine höhere Anzahl von Urlaubstagen ergeben.

Die volle Anzahl Urlaubstage kommt dem Arbeitnehmer jedoch gemäß § 4 BUrlG in jedem Fall erst nach Ende der sechsmonatigen Wartezeit zu.

Unklar war hierbei lange Zeit, ob mit der Formulierung „nach sechsmonatigem Bestehen“ eine Beschäftigungszeit von genau sechs Monaten ausreicht, um den gesamten Jahresurlaub beanspruchen zu können. Teilweise ging man auch davon aus, dass erst bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von mehr als 6 Monaten der gesamte Urlaubsanspruch bestehen würde, also mindestens 6 Monate und einen Tag.

Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im November des vergangen Jahres 2015 eine Grundsatzentscheidung getroffen ( Az: BAG 9 AZR 179/15 ).

Arbeitsverhältnis ab Beginn des zweiten Halbjahres

In dem entschiedenen Fall (BAG 9 AZR 179/15) wurde ein Arbeitnehmer in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis 2. Januar 2014 bei einem Arbeitgeber beschäftigt. Ihm standen nach dem für ihn geltenden Manteltarifvertrag 26 Tage Urlaub pro Jahr zu. Im Manteltarifvertrag war weiterhin entsprechend § 5 BUrlG bestimmt, dass der Urlaubsanspruch für neu eintretende bzw. austretende Mitarbeiter anteilig gelten sollte und zwar in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Beschäftigungsdauer im Unternehmen.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Arbeitnehmer, welcher bisher keinen Urlaub genommen hatte, 13 Urlaubstage als sogenannte Urlaubsabgeltung ausgezahlt. Hiergegen klagte der Arbeitnehmer und führte aus, dass im Jahr 2013 für ihn der komplette Urlaubsanspruch entstanden sei und ihm somit noch eine Abgeltung für weitere 13 Tage zustünde.

Das BAG stellte jedoch fest, dass es zum Entstehen des gesamten Jahresurlaubsanspruches nicht ausreicht, wenn der Arbeitnehmer genau sechs Monate im Betrieb beschäftigt gewesen ist. Das Ende der Wartezeit und das Entstehen des vollen Urlaubsanspruches fallen auseinander. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 4 BUrlG: „Der volle Jahresurlaub wird erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben“. Also mindestens sechs Monate und einen Tag.

Zudem entsteht nach § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG nur ein Teilurlaubsanspruch , wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Der Fall, dass ein Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte zum 31. Dezember eines Jahres aus einem genau sechsmonatigen Beschäftigungsverhältnis ausscheidet, ist gesetzlich nicht ausdrücklich normiert.

Allerdings ergibt sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln, dass in solchen Fällen kein Anspruch auf den vollen Jahresurlaub entstehen kann. Der Arbeitnehmer ist wie in dem Fall des § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG zu behandeln, also wie bei einem Ausscheiden in der ersten Jahreshälfte. Er hat daher in beiden Fällen lediglich Anspruch auf anteiligen Urlaub .

Könnte der Arbeitnehmer bereits nach genau sechs Monaten seinen gesamten Jahresurlaub nehmen, käme es außerdem zu der Besonderheit, dass einem Beschäftigten bei zwei jeweils halbjährlichen Arbeitsverträgen (01.01 bis 30.06 und 01.07 bis 31.12) in einem Jahr für jedes dieser beiden Beschäftigungsverhältnis der gesamte jährliche Mindesturlaub zustehen würde, mithin der betroffene Arbeitnehmer insgesamt den doppelte Jahresurlaub beanspruchen könnte. Dieses würde der gesetzlichen Regelung widersprechen.

Die zwei Beschäftigungstage im Januar sind für die Berechnung des gesamten Urlaubs im Ausgangsfall von BAG 9 AZR 179/15 irrelevant, da der Urlaubsanspruch 1/12 je vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses beträgt. Insoweit ist in dem entschiedenen Fall die Abgeltung von 13 Urlaubstagen korrekt. Wäre Ende des Arbeitsverhältnisses der 31.01.2014 gewesen, so wären 2 weitere Urlaubstage für Januar abzugelten gewesen, mithin also 15 Urlaubstage für ein Arbeitsverhältnis von 7 Monaten.

Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte

Anders verhält es sich, wenn ein Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet und das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Für diese Fälle ergibt sich aus § 5 Abs. I c BUrlG Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Die 1/12-Regelung zur anteiligen Urlaubsberechnung gilt nach der Rechtsprechung des BAG in diesen Fällen ausdrücklich nicht, vgl. auch BAG 9 AZR 179/15. Die Gefahr eines doppelten Urlaubsanspruchs besteht hier schon deshalb nicht, weil die Dauer von sechs Monaten Wartezeit überschritten ist und deswegen in diesem Jahr nicht noch ein zweites Mal sechs Monate Wartezeit erreicht werden können.

Aber auch sonst entsteht ein etwaiger weiterer Anspruch beim neuen Arbeitgeber nur, wenn der Jahresurlaub beim ersten Arbeitgeber weder genommen, noch abgegolten wurde, denn der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gem. § 6 BUrlG eine Bescheinigung über den genommenen Urlaub des laufenden Jahres zu erteilen. Anhand dieser lässt sich für den neuen Arbeitgeber die Zahl der Urlaubstage bestimmen, welche dem Arbeitnehmer in dem Kalenderjahr noch zu gewähren sind.

Soweit ein Arbeitsverhältnis in der zweiten Jahreshälfte endet, aber lediglich sechs Monate bestanden hat, ist § 5 Abs. I c) BUrlG nicht anwendbar, denn das Erreichen des Endes der Wartezeit mit Ablauf von sechs Monaten genügt nach der Rechtsprechung des BAG eben gerade nicht, um den vollen Urlaubsanspruch entstehen zu lassen. Die Formulierung „nach Erreichen der Wartezeit“ in § 5 Abs. I c) BUrlG zeigt überdies deutlich, dass das Ausscheiden nicht mit dem Ende der Wartezeit, sondern erst danach erfolgen darf.

Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat die Entscheidung aus BAG 9 AZR 179/15 weitreichende Folgen. Nach Jahren der Rechtsunsicherheit steht nun für die Arbeitnehmer fest, dass eine genau sechsmonatige Beschäftigung allein nicht für das Entstehen des gesamten Urlaubsanspruches ausreicht. Ihm steht bei einem befristeten Arbeitsverhältnis von genau sechs Monaten lediglich eine anteilige Anzahl von Urlaubstagen zu. Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer von Jahresanfang bis 30. Juni oder von 1. Juli bis Ende des Jahres beschäftigt gewesen ist.

Arbeitgeber haben nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nun die Rechtssicherheit, dass für den Arbeitnehmer, der zum 1. Juli eines Jahres eingestellt wird, nach dem Bundesurlaubsgesetz lediglich ein partieller Urlaubsanspruch entsteht. Zudem haben Arbeitgeber die Möglichkeit, über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus gewährten Mehrurlaub durch arbeitsvertragliche Gestaltung bei einem Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte nicht vollständig zum Ausgleich bringen zu müssen.

Zusammenfassung Urlaubsanspruch bei befristetem Arbeitsvertrag

  • Das Bundesarbeitsgericht hat in BAG 9 AZR 179/15 eine grundsätzliche Entscheidung zum Urlaubsanspruch bei Befristung auf sechs Monate sowie bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte getroffen.
  • Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub entsteht erst nach Ablauf der Wartezeit von sechs Monaten.
  • Deshalb reicht eine genau sechsmonatige Beschäftigungsdauer (z.B. 01.07 bis 31.12) nicht aus, um den vollen Urlaubsanspruch zu erwerben.
  • Das Ende der Wartezeit und das Entstehen des vollen Urlaubsanspruch fallen deshalb nicht zusammen auf ein Ereignis.
  • Wenn der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet und das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, dann entsteht jedoch der volle Urlaubsanspruch.
  • Dies liegt daran, dass in diesem Fall ausgeschlossen ist, dass der volle Urlaubsanspruch zweimal entstehen kann. Denn in einem Jahr kann es naturgemäß nur einmal vorkommen, dass ein Zeitraum von sechs Monaten überschritten wird. Der zweite Zeitraum wird dann nämlich weniger als sechs Monate betragen.
  • Außerdem ist der Arbeitgeber nach § 6 BUrlG verpflichtet, eine Bescheinigung über die Anzahl der gewährten Urlaubstage auszustellen. Somit sind Doppelansprüche ausgeschlossen.
  • Während der Wartezeit hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf anteiligen Urlaub von 1/12 je Beschäftigungsmonat.

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