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Der Anspruch aus betrieblicher Übung im Arbeitsrecht

Die sogenannte betriebliche Übung stellt ein weit verbreitetes Rechtsinstitut im gesamten Arbeitsrecht dar. Der Anwendungsbereich erstreckt sich hierbei auf eine Vielzahl von Feldern.

Arbeitnehmer können hierbei dauerhaft rechtliche Ansprüche gegen ihren Arbeitgeber geltend machen.

Umgekehrt fragen Arbeitgeber sich, wie sie eine einmal entstandene betriebliche Übung beseitigen bzw. wie sie diese von vornherein verhindern können.

Im folgenden Beitrag werden die rechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Übung erläutert und einzelne Fallgruppen und aktuelle Rechtsprechung aufgezeigt, die auf dieses Rechtsinstitut anwendbar sind.

Grundsätzliches:

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweise des Arbeitgebers zu verstehen, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass diese Verhaltensweisen auch in Zukunft auf das Arbeitsverhältnis angewandt werden.

Diese technische Definition bedeutet vereinfacht gesprochen, dass Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen darauf vertrauen dürfen, dass der Arbeitgeber auch in Zukunft so handelt, wie er das in der Vergangenheit getan hat.

Die angesprochenen Verhaltensweisen einer betrieblichen Übung können alle Bereiche betreffen, die grundsätzlich arbeitsvertraglich geregelt sein könnten (aber im jeweiligen Einzelfall eben nicht vertraglich geregelt sind). Erst dann kann die betriebliche Übung entstehen.

Dies können bestimmte (freiwillige) Zahlungen des Arbeitgebers sein oder auch die Gewährung bestimmter Vergünstigungen, wie beispielsweise eine jährliche Fortbildung, die Urlaubsfreistellung an bestimmten Tagen oder Jubiläumszuwendungen für Betriebstreue. Ein weiterer Fall der betrieblichen Übung ist die jahrelange, freiwillige Bezugnahme auf Vergünstigungen in einem Tarifvertrag.

Das Bundesarbeitsgericht vertritt die Auffassung, dass in diesen freiwilligen Zuwendungen ein Vertragsangebot des Arbeitgebers zu sehen ist, welches der Arbeitnehmer stillschweigend annimmt. Hierdurch wird dann quasi der Arbeitsvertrag um den Passus ergänzt, den die betriebliche Übung betrifft.

Entstehen einer betrieblichen Übung (Voraussetzungen):

Wie bereits zuvor erwähnt, kann eine betriebliche Übung nur dort entstehen, wo keine individuelle oder kollektive Vereinbarung in einem Arbeits- oder Tarifvertrag vorhanden ist. Solche vertraglichen Abreden gehen immer vor.

Weiterhin ist erforderlich, dass die Vergünstigung regelmäßig und gleichförmig wiederholt wird. Gleichförmig meint, aufgrund gleicher Berechnungsgrundlage.

Bei der Regelmäßigkeit kommt es darauf an, wie der Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers auffassen durfte. Wenn aus der Sicht eines unbeteiligten und objektiven Dritten davon ausgegangen werden durfte, der Arbeitgeber wollte sich auch in Zukunft so verhalten, wie er das zuvor regelmäßig getan hat, kann die betriebliche Übung entstehen. Es kommt also im Einzelfall immer auf die Art, Dauer und Intensität der Leistung an.

Bei freiwilligen jährlichen Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld darf regelmäßig bei drei aufeinanderfolgenden, vorbehaltslosen Zahlungen von einem Verpflichtungswillen des Arbeitgebers ausgegangen werden.

Weiterhin ist erforderlich, dass die Verhaltensweise nicht nur einen einzelnen Arbeitnehmer betrifft, sondern den weit überwiegenden bzw. zumindest einen abgrenzbare Teil der Belegschaft begünstigt.

Es reicht also nicht aus, wenn Mitarbeiter A seit sechs Jahren immer am Rosenmontag frei bekommt.

Außerdem darf die Verhaltensweise des Arbeitgebers nicht von vornherein unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt mit Widerrufsmöglichkeit gestanden haben.

Verhinderung einer betrieblichen Übung:

Eine betriebliche Übung kann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitgeber die Leistung oder Vergünstigung ausdrücklich ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung und somit freiwillig gewährt. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber sich den Widerruf aufgrund der Freiwilligkeit ausdrücklich vorbehält.

Wenn eine freiwillige Sonderzahlung wie Weihnachtsgeld jedes Jahr in unterschiedlicher Höhe (bzw. aufgrund unterschiedlicher Berechnungsgrundlage) gezahlt wird, ist bereits davon auszugehen, dass der Arbeitgeber die Leistung nur freiwillig und ohne rechtliche Verpflichtung gezahlt hat

Überwiegend wird auch vertreten, dass eine doppelte Schriftformklausel“ ebenfalls verhindert, dass die betriebliche Übung entsteht. Hiermit ist gemeint, dass zwischen den Arbeitsparteien vereinbart wurde, dass alle Vertragsänderung nur schriftlich erfolgen dürfen und eine Änderung dieses Schriftformerfordernis ebenfalls schriftlich erfolgen muss.

Beendigung einer betrieblichen Übung:

Die betriebliche Übung kann nicht mehr einseitig vom Arbeitgeber beendet werden. Der Arbeitgeber muss also entweder einen Aufhebungsvertrag mit den begünstigten Mitarbeitern schließen oder eine (sozial gerechtfertigte) Änderungskündigung aussprechen. Die Voraussetzungen hierfür sind hoch und hängen in der Regel von der Zustimmung des Arbeitnehmers ab.

Die negative oder gegenläufige Übung wird vom Bundesarbeitsgericht seit 2009 nicht mehr akzeptiert, um eine betriebliche Übung zu beenden. Und auch durch eine Betriebsvereinbarung kann die betriebliche Übung ohne Zustimmung des Mitarbeiters nicht aufgehoben werden, da im Arbeitsrecht das Günstigkeitsprinzip gilt. Vereinfacht gesprochen bedeutet dies, dass bei mehreren vertraglichen Regelungen immer die gilt, die für den Arbeitnehmer am günstigsten ist.

Aus diesen Gründen wird es schwer, die betriebliche Übung ohne Zustimmung des Arbeitnehmers zu beenden.

Zusammenfassung:

  • Die betriebliche Übung begründet Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber.
  • Betriebliche Übung kann in allen Angelegenheiten entstehen, die vertraglich geregelt sein könnten, aber nicht geregelt sind.
  • Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber freiwillig eine bestimmte Verhaltensweise zugunsten seines Arbeitnehmers an den Tag gelegt hat, aus der der Arbeitnehmer schließen kann, diese Leistung oder Vergünstigung solle auf Dauer gewährt werden.
  • Dies ist abhängig vom Einzelfall und liegt bei freiwilligen, jährlichen Sonderzahlungen in der Regel vor, wenn der Arbeitgeber in drei aufeinander folgenden Jahren die Sonderzahlung ausgeschüttet hat.
  • Die entsprechende Verhaltensweise muss zumindest einen abgrenzbaren Teil der Belegschaft oder einen zahlenmäßig überwiegenden Teil betreffen.
  • Wenn die Leistung oder Vergünstigung unter einem ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt steht, kann keine betriebliche Übung entstehen. Das gleiche gilt, wenn die Leistung jedes Jahr aufgrund einer wechselnden (ungleichförmigen) Berechnung erfolgt.
  • Betriebliche Übung wird auch durch eine sogenannte doppelte Schriftformklausel verhindert.
  • Beendet wird die betriebliche Übung nur durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Änderungskündigung.

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen:

Die betriebliche Übung kann für Arbeitgeber erhebliche finanzielle und organisatorische Folgen bedeuten. Arbeitnehmer können unter Umständen langfristig Rechte gegen den Arbeitgeber geltend machen. Hierbei kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Lassen Sie sich im Einzelfall kompetent beraten, damit Sie zu Ihrem Recht kommen.

Dr. Patrizia Antoni hat den Fachanwalt für Steuerrecht- und den Fachanwalt für Arbeitsrecht. Sie berät Sie bei allen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragen gerne. Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn.

Beitrag veröffentlicht am
23. Februar 2015

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