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Haftung des Arbeitnehmer (Arbeitnehmerhaftung)

Die Haftung des Arbeitsnehmers für Schäden, die gegenüber dem Arbeitgeber verursacht werden, richtet sich vor allem nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Nach den Umständen des Einzelfalls kann der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer abmahnen oder sogar außerordentlich kündigen. Dieser Beitrag behandelt die Frage des sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs – also die Haftung des Arbeitnehmers auf Schadensersatz gegenüber seinem Arbeitgeber (oder Dritten).

Grundsätzliches:

Haftungsfälle im Arbeitsverhältnis lassen sich nicht vollständig ausschließen. Wenn der Arbeitnehmer während der Arbeit Schäden am Eigentum des Arbeitgebers oder gegenüber Dritten (Arbeitskollegen oder betriebsfremde Personen) versursacht, stellt sich die Frage, wer diese Schäden finanziell auszugleichen hat.

Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hat hierfür Voraussetzungen und Fallgruppen herausausgearbeitet. Damit ein Schaden vom Arbeitnehmer übernommen werden muss, sind zunächst die unten genannten Voraussetzungen zu prüfen. Anschließend stellt sich die Frage, in welchem Umfang der Arbeitnehmer haftet. Die Frage nach dem Umfang (also der Höhe des Schadensausgleichs) richtet sich dann nach der Schwere des vorwerfbaren Verhaltens und anderen Umständen, die vom Einzelfall abhängig sind.

Voraussetzungen für die Arbeitnehmerhaftung:

Damit der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber grundsätzlich für Schäden haftet, müssen zunächst folgende Voraussetzungen erfüllt sein.

  • Pflichtverletzung: Zunächst muss der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben. Dies ist bei Schadensfällen, die der Arbeitnehmer verursacht, regelmäßig der Fall. Denn eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis ist die Pflicht, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers zu nehmen.
  • Schaden: Durch die Pflichtverletzung muss dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden sein. Auch das ist bei Schadensfällen in der Regel zwangsläufig der Fall.
  • Schwere des vorwerfbaren Verhaltens: Für den Umfang des Schadensausgleich kommt es dann entscheidend darauf an, wie sehr der Arbeitnehmer das Schadensereignis zu verantworten hat. Grundsätzlich haftet der Arbeitnehmer nämlich für Vorsatz und alle Formen von Fahrlässigkeit. Die Arbeitsgerichte begrenzen den Umfang der Arbeitnehmerhaftung jedoch am Maßstab des vorwerfbaren Verhaltens.

Umfang der Haftung im Rahmen des innerbetrieblichen Schadenausgleichs:

In welcher Höhe der Arbeitnehmer für die verursachten Schäden haftet, hängt davon ab, wie sehr der Schadensfall ihm vorgeworfen werden kann. Das ist nicht ganz selbstverständlich, denn grundsätzlich haftet ein Schadensverursacher für Vorsatz und jede Form von Fahrlässigkeit, vgl. § 276 Absatz 1 BGB.

Weil der Arbeitnehmer den Schaden jedoch während der Arbeit verursacht hat, haben die Arbeitsgerichte die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs entwickelt. Hierdurch wird die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber begrenzt.

Der Hintergedanke hieran ist zunächst, dass der Arbeitnehmer den Schaden verursacht hat, während er für seinen Arbeitgeber tätig war.

Darüber hinaus können Schäden im Arbeitsumfeld häufig sehr teuer werden (z.B. im Zusammenhang mit hochwertigen Maschinen). Der Arbeitnehmer riskiert dann unter Umständen während der Arbeit seinen finanziellen Ruin, wenn er durch eine kurze Unachtsamkeit einen Schaden verursacht, der weit über seinem Verdienst liegt. Aus diesen Gründen kommt es für die Höhe der Haftung auf das vorwerfbare Verhalten des Arbeitnehmers an.

Bei Vorsatz ist die Frage des vorwerfbaren Verhaltens recht unproblematisch zu beantworten. Vorsatz ist ein zielgerichtetes Verhalten, für das der Arbeitnehmer auch voll haften muss. Der Vorsatz des Mitarbeiters muss sich dabei aber auch auf den Schaden selbst beziehen und nicht nur auf die Handlung, die zum Schadensereignis führt. Die meisten Schadensereignisse werden jedoch durch Unachtsamkeit verursacht. Hierfür gibt es den rechtlichen Begriff der Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, vgl. § 276 Absatz 2 BGB. Die Frage ist also, welche Sorgfalt ein normal verständiger Mensch in der gleichen Situation normalerweise angewendet hätte.

Die Fahrlässigkeit und somit der Umfang der Haftung wird in drei Fallgruppen unterteilt: leichte Fahrlässigkeit, normale bzw. mittlere Fahrlässigkeit und grobe Fahrlässigkeit.

Leichte Fahrlässigkeit:

Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers unerheblich war. Das ist in der Regel eine nur kurze Unachtsamkeit, die dem Arbeitnehmer nicht vorgeworfen werden kann. Die Rechtsprechung spricht hier von einem „typischen Abirren aufgrund der menschlichen Unzulänglichkeit“.

Der Arbeitnehmer haftet bei leichter Fahrlässigkeit, unabhängig von der Schadenshöhe, in der Regel überhaupt nicht.

Beispiel:  Der Arbeitnehmer lässt aus Versehen etwas fallen, das dadurch kaputt geht oder sogar einen weiteren Schaden nach sich zieht.

Normale bzw. mittlere Fahrlässigkeit:

Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Mitarbeiter die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Wenn keine Anhaltspunkte für nur leichte bzw. grobe Fahrlässigkeit vorliegen, dann wird normalerweise mittlere Fahrlässigkeit anzunehmen sein. Der Volksmund würde sagen „das kann jedem mal passieren“.

In diesen Fällen wird der Schadensausgleich zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber anhand einer sogenannten Quotelung aufgeteilt. Die Höhe der Quotelung hängt vom Einzelfall ab und richtet sich nach mehreren Faktoren:

  • Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit: also die Frage, wie wahrscheinlich ein Schadensfall im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit ist. So ist ein Schadensfall bei Bauarbeiten oder der Wartung von hochwertigen EDV-Anlagen wahrscheinlicher als bei der Tätigkeit einer Verkäuferin im Blumenladen.
  • Höhe des Schadens im Verhältnis zum Einkommen: die Höhe der Quotelung hängt auch davon ab, in welchem Verhältnis das Einkommen des Arbeitnehmers zum tatsächlichen Schaden liegt. Ein Mitarbeiter, der beispielsweise nur 2.000,- € netto pro Monat verdient und durch mittlere Fahrlässigkeit einen Schaden von 100.000,- € verursacht, wird keine Quotelung von 50 Prozent zuzumuten sein. (Was in diesem Fall bedeuten würde, dass der Arbeitnehmer 50 Prozent von 100.000,- € tragen müsste und somit mehr als zwei Jahresnettogehälter aufzuwenden hätte.)
  • Kalkulierbarkeit des Schadenrisikos: Hierunter ist zu verstehen, ob der Arbeitgeber das Risiko von bestimmten Schäden einkalkulieren und sich hiergegen versichern konnte. Bei hochwertigen Maschinen oder Neufahrzeugen sollte sich der Arbeitgeber gegen Schadensfälle absichern.
  • Vorverhalten des Arbeitnehmers: Wenn der Arbeitnehmer seit vielen Jahren im Betrieb angestellt ist und nie einen Schaden verursacht hat, dann wird die Quotelung niedriger ausfallen, als bei einem Arbeitnehmer, der in zwei Jahren Betriebszugehörigkeit mehrere Schäden durch fahrlässiges Verhalten verursacht hat.
  • Weitere Faktoren: In die Berechnung der Quotelung werden weitere Faktoren, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die fachliche Ausbildung des Arbeitnehmers, seine persönlichen Verhältnisse, die durchschnittliche Arbeitsbelastung und auch ein Mitverschulden des Arbeitgebers berücksichtigt.

Im Ergebnis kommt es also für die Höhe der Quotelung auf eine Vielzahl von einzelnen Faktoren an.

Ein grober Richtwert in der Rechtsprechung tendiert bei mittlerer Fahrlässigkeit zu einer maximalen Gesamthöhe von drei Bruttomonatsgehältern.

Grobe Fahrlässigkeit:

Genau wie bei vorsätzlichem Verhalten haftet der Arbeitnehmer auch für grobe Fahrlässigkeit in der Regel für den vollen Schaden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in einem ungewöhnlich hohem Maße die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Umgangssprachlich würde man sagen: „das darf nicht passieren“.

Hiervon wird eine Ausnahme nur dann gemacht, wenn die Schadenshöhe ein Ausmaß annimmt, dass für den Arbeitnehmer existenzgefährdend ist. In solchen Fällen wird ebenfalls eine Quotelung vorgenommen. Deren Höhe richtet sich auch danach, ob nur grobe oder sogar gröbste Fahrlässigkeit vorgelegen hat und ist sehr einzelfallabhängig.

Sonderfälle:

Die hier beschriebene Arbeitnehmerhaftung ist immer dann anzuwenden, wenn keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen vorliegen. Bei Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, die dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) unterliegen, ist die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt, vgl. § 3 Absatz 6 und 7 TVöD.

Bei Mitarbeitern, die an der Kasse arbeiten, kann eine sogenannte Mankovereinbarung dazu führen, dass die Mitarbeiter für alle Differenzbeträge in der Kasse selbst haften. Unabhängig davon, ob dem Mitarbeiter ein Verschulden am Fehlbetrag nachgewiesen werden kann. Dem Mitarbeiter muss für die Übernahme dieses Risikos aber ein angemessener finanzieller Ausgleich gezahlt werden. Ansonsten ist die Mankovereinbarung unwirksam.

Für Schäden gegenüber Dritten (zum Beispiel Arbeitskollegen oder betriebsfremden Personen) haftet der Arbeitnehmer normalerweise selbst. Wenn der Schadensfall jedoch während der Arbeit auftritt, dann kann der Arbeitnehmer eine sogenannte Freistellung beantragen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber für den Ausgleich des Schadens aufkommen muss, weil der Schadenseintritt betrieblich veranlasst war. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Baggerfahrer während der Arbeit das Auto einer betriebsfremden Person leicht fahrlässig beschädigt. Die Höhe der Freistellung richtet sich ebenfalls nach den o.g. Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs; also dem Verschuldensmaßstab von Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Beweislast:

Grundsätzlich haftet man für alle Schäden, die man selbst zu verantworten hat (sogenanntes Vertretenmüssen). Gemäß § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB wird grundsätzlich vermutet, dass die Person, die einen Schaden verursacht hat, diesen auch zu vertreten hat. Die Person müsste also erst beweisen, dass sie den Schaden nicht zu vertreten hat.

Hiervon wird im Arbeitsrecht jedoch eine Ausnahme gemacht. § 619a BGB dreht die Beweislast um. Demnach haftet ein Arbeitnehmer nur, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Das bedeutet, dass ihm die Schuld am Schadensereignis erst nachgewiesen werden muss und ist ein Fall der Beweislastumkehr.

Zusammenfassung:

  • Die Voraussetzung für die Arbeitnehmerhaftung ist eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis, die zu einem Schaden führt, den der Arbeitnehmer zu vertreten hat.
  • Der Umfang der Haftung richtet sich nach dem Verschuldensmaßstab, also der Vorwerfbarkeit der Handlung, die zum Schadenseintritt geführt hat.
  • Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in der Regel gar nicht.
  • Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Umfang der Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt. Dies ist die sogenannte Quotelung.
  • Die Höhe der Quotelung hängt von mehreren Faktoren ab.
  • Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der Arbeitnehmer in der Regel für den vollen Schaden. Ausnahme bei grober Fahrlässigkeit: die Schadenshöhe steht in einem krassen Missverhältnis zum Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers.
  • Der Haftungsumfang kann vertraglich begrenzt werden, z.B. durch Vereinbarungen in einem Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag. (Siehe hierzu die Sonderfälle der Arbeitnehmerhaftung.)
  • Die Beweislast für das Verschulden liegt wegen § 619a BGB beim Arbeitgeber.

Hilfestellung bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen:

Schadensereignisse die durch Mitarbeiter verursacht werden, können schnell zu unverhältnismäßig hohen Kosten führen. Um dies zu vermeiden, sollten Arbeitgeber sich umfassend absichern. Dies sollte präventiv durch eine vorausschauende Risikoverlagerung geschehen. Aber auch im Falle eines eingetreten Schadens können die Kosten durch rechtlich fundierten Rat beeinflussen werden.

Frau Dr. Patrizia Antoni ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und berät Sie in allen arbeitsrechtlichen Fragen, wie zum Beispiel der Haftung oder Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis gerne. Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn.

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