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Equal Pay im Mischbetrieb – BSG B 11 AL 6/15 R

Ein aktuelles Urteil des Bundesozialgerichts vom 12.10.2016 (BSG B 11 AL 6/15 R) bestätigt, dass auch sogenannte Mischbetriebe, die nicht ausschließlich gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betreiben, vom Grundsatz des Equal Pay abweichen dürfen.

Diese höchstrichterliche Rechtsprechung sorgt erstmals für Klarheit in dieser umstrittenen Frage und widerspricht der bisher vertretenen Auffassung der Agentur für Arbeit.

Zusammenfassung des Urteils BSG B 11 AL 6/15 R:

In dem Fall BSG B 11 AL 6/15 R ging es um die Rechtmäßigkeit einer Auflage für die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Die Agentur für Arbeit wollte diese Erlaubnis nur erteilen, wenn der klagende Mischbetrieb darauf verzichtet in seinen Arbeitsverträgen durch in Bezugnahme auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit den Grundsatz des Equal Pays auszuschließen.

Die Auflage lautete:

  • "Ab sofort wird Ihnen untersagt, mit den Arbeitnehmern für die Dauer der Überlassung an einen Drittbetrieb (Entleiher) eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass sie für diesen Zeitraum vom Gleichstellungsgrundsatz gemäß § 3 III Nr. 1 AÜG durch Anwendung eines Tarifvertrages in der Zeitarbeit freigestellt werden. Eine arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages in der Zeitarbeit wird Ihnen nur auf besonderen Antrag gestattet. Hierzu sind der Erlaubnisbehörde geeignete Nachweise dafür vorzulegen, dass Sie vom räumlichen und fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages in der Zeitarbeit erfasst werden. Diese Nachweise können zB dadurch erbracht werden, dass die Gründung einer eigenen Betriebsabteilung für Mitarbeiter, die arbeitszeitlich überwiegend verliehen werden sollen, nachgewiesen wird."

Ein Mischbetrieb liegt vor, wenn nicht ausschließlich Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird. Die Klägerin war eine nicht tarifgebundene GmbH, deren Unternehmensgegenstand auch die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung umfasst. Sie betreibt eine Eventagentur im Bereich der Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, eine Vermittlung von Künstlern und Hostessen, Catering, Gebäudemanagement sowie einen Wach- und Sicherheitsservice.

In ihren Arbeitsverträgen verweist sie standardmäßig auf die Anwendung der Tarifverträge der Zeitarbeit.

Hierdurch soll vom Grundsatz der gleichen Bezahlung / Equal Pay abgewichen werden.

Abweichen vom Equal Pay Grundsatz:

Grundsätzlich sind Zeitarbeitsfirmen im Rahmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung verpflichtet, ihren Leiharbeitern den gleichen Lohn zu zahlen, den auch die Stammbelegschaft beim Entleiher für eine vergleichbare Tätigkeit bekommt. Hiervon darf aber abgewichen werden, wenn ein anwendbarer Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft und zumindest der Mindestlohn gewährt wird. Dann darf die Zeitarbeitsfirma dem Leiharbeiter den tarifvertraglich vereinbarten Lohn zahlen, vgl. § 10 Abs. 4 AÜG:

  • Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft (§ 3 Absatz 1 Nummer 3, § 9 Nummer 2), hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren.

Die Agentur für Arbeit wiederum muss die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung aber versagen, wenn der Tarifvertrag nicht auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist und Equal Pay dann nicht umgesetzt wird, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG:

  • „Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller…. Nr. 3: …dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt. Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet.“

Ausnahme von Equal Pay beim Mischbetrieb:

Die Agentur für Arbeit war der Ansicht, dass Mischbetriebe, die nicht überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betreiben, nicht auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit verweisen dürfen. Sie vertritt dabei die Auffassung, dass bei solchen Mischbetrieben das Überwiegensprinzip gelte, wonach es für die anwendbaren Tarifregelungen auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit im Betrieb ankomme.

Wenn der Unternehmensgegenstand nicht überwiegend in der Arbeitnehmerüberlassung liege, dann könne nicht davon ausgegangen werden, dass die entsprechenden Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich eines Tarifvertrags der Zeitarbeit liegen.

Dieser Auffassung hat das Bundessozialgericht (BSG B 11 AL 6/15 R) widersprochen. In seiner Urteilsbegründung weist es darauf hin, dass in der Abweichungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG keine Anhaltspunkte für das Überwiegensprinzip vorliegen. Auch die in Bezug genommenen Tarifverträge der BZA (heute BAP) und DGB schränken den Geltungsbereich ihres Tarifvertrages diesbezüglich nicht ein.

Aus diesem Grund ist es der Agentur für Arbeit untersagt, die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG mit einer Auflage zu verbinden, die es dem Mischbetrieb verbietet auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit zu verweisen und somit den Grundsatz des Equal Pay auszuschließen.

Auswirkung und Handlungsbedarf:

Für Mischbetriebe, die nur untergeordnet bzw. nicht überwiegend Leiharbeiter vermitteln, hat die aktuelle Rechtsprechung zwei entscheidende Vorteile.

Zunächst kann auf eine umständliche Ausgliederung bzw. Abspaltung des Unternehmensteils verzichtet werden, der die Arbeitnehmerüberlassung betreibt.

Darüber hinaus kann die Agentur für Arbeit die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr einfach deshalb verweigern, weil ein Mischbetrieb den Grundsatz von Equal Pay durch Verweis auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit ausschließt.

Hierbei ist natürlich noch abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht der Auffassung des Bundessozialgerichts folgt. Dies ist aber nicht unwahrscheinlich, da die Urteilsbegründung des BSG rechtlich schlüssig ist und auch von der Mehrheit der Rechtsgelehrten geteilt wird. Es ist wohl auch vom Gesetzgeber nicht beabsichtig, dass Leiharbeiter aus Mischbetrieben schutzwürdiger sein sollten, als Leiharbeiter von reinen Zeitarbeitsfirmen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesagentur für Arbeit ihre Weisungen an die untergeordneten Agenturen bezüglich der rechtlichen Beurteilung von Mischbetrieben anpasst. Jedenfalls sollten betroffene Unternehmen sich auf die Rechtsprechung BSG B 11 AL 6/15 R berufen und im Zweifel erfolgversprechenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen.

Zusammenfassung:

  • Das Bundessozialgericht hat in BSG B 11 AL 6/15 R entschieden, dass auch Mischbetriebe durch arbeitsvertragliche in Bezugnahme auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit vom Grundsatz des Equal Pay abweichen dürfen.
  • Ein Mischbetrieb liegt vor, wenn das Unternehmen nicht ausschließlich Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Die Arbeitnehmerüberlassung kann auch eine sehr untergeordnete Rolle spielen.
  • Durch Equal Pay (Gleichheitsgebot / Gleiche Bezahlung) soll erreicht werden, dass Leiharbeiter den gleichen Lohn bekommen, wie vergleichbare Arbeitnehmer beim Entleiher.
  • Auch Mischbetriebe können nach Auffassung des Bundessozialgerichts auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit verweisen und somit den Grundsatz auf gleiche Bezahlung ausschließen. Der Geltungsbereich solcher Tarifverträge ist nicht auf reine Zeitarbeitsfirmen beschränkt.
  • Darauf, dass die betriebliche Tätigkeit überwiegend in der Arbeitnehmerüberlassung besteht, kommt es nicht mehr an.
  • Für Mischunternehmen, die nicht ausschließlich Arbeitnehmerüberlassung betreiben hat die aktuelle Rechtsprechung nun den Vorteil, dass sie nicht mehr Teile des Betriebes ausgliedern müssen, um Equal Pay auszuschließen.
  • Außerdem wird es wohl nicht mehr zulässig sein, dass die Agentur für Arbeit die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung von der Bedingung abhängig macht, dass Mischbetriebe in ihren Arbeitsverträgen darauf verzichten den Grundsatz von Equal Pay auszuschließen, indem sie auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit verweisen.
  • Grundsätzlich könnte es sein, dass das Bundesarbeitsgericht eine andere Auffassung vertritt, aber dies ist eher unwahrscheinlich (s.o.).

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen:

Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und Equal Pay im gemischten Unternehmen können zu rechtlichen Auseinandersetzungen führe. Wir beraten und vertreten Sie in diesem Zusammenhang gerne und informieren Sie über die aktuelle Rechtslage. Rechtssicher und verständlich.

Dr. Patrizia Antoni hat den Fachanwalt für Arbeitsrecht und den Fachanwalt für Steuerrecht. Sie berät Sie in allen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragen gerne. Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn.

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