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Das Hypotaxverfahren im Arbeitsverhältnis

Arbeitnehmer, die häufiger für längere Zeit ins Ausland entsendet werden, kennen das Problem: Ihr Arbeitseinkommen unterliegt plötzlich nicht mehr allein einer Besteuerung in Deutschland, sondern ggf. auch oder nur noch im Entsendestaat.

Grund hierfür ist der Artikel 15 des OECD Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, welcher Basis vieler sodann im Einzelfall anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen ist.

Viele Arbeitnehmer sind mit der Versteuerung ihrer Einkünfte im Ausland überfordert. Große Arbeitgeber sind daher bemüht, ihre Arbeitnehmer hierbei zu unterstützen. Dieses kann durch die Zurverfügungstellung von entsprechenden Beratern, aber auch durch die Schaffung von Steuerausgleichsmechanismen, sogenannten Hypotaxverfahren geschehen.

Der Beitrag gibt einen Überblick über die Sach- und Rechtslage von Hypotaxverfahren.

Versteuerung des Arbeitseinkommens nach Art. 15 OECD Musterabkommen

Grundsätzlich ist ein in Deutschland ansässiger Bürger in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig mit seinem gesamten Welteinkommen. Nach Art. 15 des OECD Musterabkommens können Vergütungen aus einem Anstellungsverhältnis nur im Ansässigkeitsstaat versteuert werden, es sei denn, die Arbeit selber wird in einem anderen Staat ausgeübt.

In diesem Fall kann die Arbeit im Tätigkeitsstaat besteuert werden. Sie ist jedoch zwingend im Tätigkeitsstaat zu besteuern, wenn der Aufenthalt dort 183 Tage innerhalb von 12 Monaten überschreitet. Relevant ist weiterhin, ob der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat ansässig ist und wer die Vergütung wirtschaftlich trägt. Diese Aspekte sollen hier jedoch nicht weiter betrachtet werden.

Ergibt sich also, dass die erzielte Vergütung im Tätigkeitsort zu versteuern ist, stellt Deutschland die entsprechende Vergütung frei und berücksichtigt sie lediglich bei der Ermittlung des Steuersatzes im Übrigen (sogenannter Progressionsvorbehalt).

Um in den Genuss der Freistellung zu kommen, ist der Arbeitnehmer aber verpflichtet, eine Steuererklärung auch im Tätigkeitsstaat abzugeben. Denn er muss dem deutschen Finanzamt gem. § 50d Abs. VIII EStG nachweisen, dass er den freigestellten Verdienst im Tätigkeitsstaat versteuert hat, bzw. dass er dieses versucht hat, aber keine Steuern anfallen.

Gelingt der Nachweis nicht, erfolgt auch die Freistellung nicht und die Vergütung wird ungeachtet der soeben aufgeführten Regelung in Deutschland versteuert.

Insoweit stellt die genannte Regelung eine Rückfallklausel (Treaty Override) dar, mit der eine Nichtbesteuerung verhindert werden soll. Sie gilt ausweislich des BMF-Schreibens vom 12.11.2014 "Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen IV B 2 – S 1300/08/10027", Ziff. 2.3 immer dann, wenn die ausländischen Einkünfte € 10.000,- im Veranlagungszeitraum überschreiten.

Vor- und Nachteile der Teilnahme an einem Hypotaxverfahren

Der Arbeitnehmer kann sich den Aufwand theoretisch also auch sparen und gewissermaßen die Besteuerung in Deutschland wählen. Dieses ist für ihn nachteilig, wenn er in einem Niedrigsteuerland mehr als 183 Tage tätig ist und vorteilhaft, wenn er in dieser Zeit in einem Hochsteuerland tätig ist.

Letztlich will aber kein Arbeitnehmer in einem Hochsteuerland tätig sein, wenn er im Rahmen der Entsendung nicht mindestens die gleiche Nettovergütung erhält wie in Deutschland.

Der Arbeitgeber ist daher gehalten, die steuerrechtlichen Aspekte im Rahmen der Entsendung zu berücksichtigen. Darüber hinaus treffen den Arbeitgeber im Rahmen der Entsendung ggf. eigene steuerliche Pflichten im Tätigkeitsstaat.

Zu den genannten Zwecken bieten sie den Arbeitnehmer die Teilnahme an einem Hypotaxverfahren an.

Hierbei wird bei der Berechnung der Vergütung für den Auslandseinsatz eine hypothetische Steuer (Hypotax) ausgewiesen, welche der Steuer entspricht, die in Deutschland angefallen wäre, wäre der Arbeitnehmer weiterhin in Deutschland tätig.

Der so ermittelte fiktive Betrag (Hypotax) wird von der an den Arbeitnehmer auszuzahlenden Vergütung abgezogen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Arbeitgeber, die tatsächlich anfallende Einkommenssteuer des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis in dem Tätigkeitsstaat zu bezahlen.

Der hier gezahlte Betrag ist sodann in dem Staat als Arbeitslohn zu behandeln, in dem die Versteuerung durchgeführt wird. Dieses stellt letztlich eine Nettolohnvereinbarung dar. Der Arbeitnehmer soll im Ergebnis durch die Entsendung weder steuerliche Vor-, noch Nachteile erzielen.

Mithin ist die Regelung für den Arbeitnehmer nur dann finanziell interessant, wenn er in ein Hochsteuerland entsendet wird oder wenn er regelmäßig in wechselnde Länder mit unterschiedlichen Steuersätzen entsendet wird.

Alternativ bieten manche Arbeitgeber die Teilnahme an einem sog. Steuertopfverfahren an. In dem Fall wird ein Treuhandvermögen gebildet, in das die betroffenen Arbeitnehmer einzahlen und aus dem die ausländischen Steuern beglichen werden. Hierdurch wird ebenfalls ein fiktiver Ausgleich durchgeführt, wobei der Arbeitgeber letztlich die ausländischen Steuern in den Hochsteuerländern durch die Arbeitnehmer finanzieren lässt, welche in Niedrigsteuerländer entsendet wurden. 

Inhalt der Teilnahmevereinbarung bzgl. Hypotax

Die genaue Art und Weise der Berechnung der jeweiligen Hypotax und ihre Berücksichtigung im Rahmen der Abrechnung der Vergütung sollten ebenso, wie die Durchführung der entsprechenden Steuerverfahren in der Vereinbarung zum Hypotaxverfahren bzw. zum Steuertopfverfahren schriftlich vereinbart werden.

Tatsächlich fehlt es in der Praxis häufig an einer rechtzeitigen schriftlichen Vereinbarung zur Hypotax. Wenn eine solche vorliegt, wird sie in der Regel vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Anwendungsfällen gestellt und unterliegt damit der AGB-rechtlichen Kontrolle der §§ 307 ff BGB.

Diese erfordern insbesondere eine transparente Regelung, welche nicht von den wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen abweichen darf und auch nicht überraschend sein darf. Diese Voraussetzungen sind in der Praxis häufig nicht erfüllt.

Die Thematik der Hypotax ist äußerst komplex und ohne Beispielsberechnungen und ohne zumindest vorhandene Grundkenntnisse des Steuerrechts kaum zu verstehen. Vielfach fehlt es jedoch an derartigen Beispielsrechnungen; zum Teil werden mit der Vereinbarung tatsächlich auch andere Ziele verfolgt, als die steuerliche Gleichstellung des Arbeitnehmers bei allen Einsätzen.

Es kommt daher immer wieder vor, dass entsendete Arbeitnehmer die entsprechenden Vereinbarungen nicht unterschreiben und die Arbeitgeber das intern geltende Hypotax- oder Steuertopfverfahren dennoch anwenden.

Unabhängig vom Vorliegen der unterschriebenen Teilnahmevereinbarung kommt es außerdem häufig vor, dass die Arbeitgeber plötzlich vom Arbeitnehmer vermeintlich für ihn verauslagte Steuerbeträge herausverlangen.

Dieses widerspricht der grundsätzlichen Systematik der Hypotax- oder Steuertopfverfahren, deren Sinn und Zweck gerade darin liegt, die Versteuerung für den Arbeitnehmer zu vereinfachen und ihn so zu stellen, als sei er weiterhin vor Ort in Deutschland tätig.

Im Übrigen sind die so gestellten Ansprüche für den Arbeitnehmer in der Regel kaum nachvollziehbar und äußerst unerwartet, denn sie werden meist für lang vergangene Steuerjahre verlangt und ggf. dem Arbeitnehmer sogar durch Aufrechnung mit aktuellen Gehaltsansprüchen abgezogen.

Haftung für die Steuerschuld

Die in diesen Fällen zu betrachtende Sach- und Rechtslage ist äußerst diffizil und hängt insbesondere von zwei Faktoren ab: (1) der Haftung für die Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt (Außenverhältnis) und (2) der Haftung für die Steuerschuld im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Innenverhältnis).

Ersteres ist klar: der Arbeitnehmer haftet für die Steuern auf seine Vergütung auch, wenn diese zumindest im Inland grundsätzlich vom Arbeitgeber abgeführt wird und das Finanzamt die Steuern auch vom Arbeitgeber verlangen kann, § 42d Abs. I EStG. Eine etwaige Auseinandersetzung mit den zuständigen Finanzbehörden muss daher stets gesondert mit dem Finanzamt geführt werden.

Wer jedoch letztlich im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Tragung  der Steuerschuld verantwortlich ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Was wurde zwischen den Parteien betreffend die Versteuerung des Auslandseinsatzes konkret vereinbart? Gab es eine Vereinbarung zur Hypotax?
  • Ist diese Vereinbarung wirksam?
  • Konnte der Arbeitnehmer bei Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung annehmen, dass der Arbeitgeber etwaige Mehrsteuern übernehmen wollte?
  • Sind sonstige Regelungen aus dem Arbeitsvertrag von Bedeutung?

Verwirkung und Verjährung von Ansprüchen:

Häufig ist die Antwort einfach: die meisten Arbeitsverträge enthalten eine sogenannte Ausschlussklausel. Nach dieser verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis in der Regel drei Monate nach Fälligkeit. Diese drei Monate sind häufig bereits vergangen, wenn der Arbeitgeber den (vermeintlichen) Anspruch auf die Steuererstattung geltend macht.

Darüber hinaus tritt nach Ablauf von drei Jahren nach Fälligkeit die Verjährung ein. Zum Teil werden derartige Ansprüche erst nach Ablauf von mehreren Jahren erhoben, so dass es sich auch empfiehlt, das Vorliegen der Verjährung zu überprüfen.

In allen anderen Fällen kommt es auf den Inhalt der Vereinbarung zur Hypotax an, deren Transparenz häufig zu wünschen übrig lässt.

Zusammenfassung

Hilfe in arbeits- und steuerrechtlichen Fragen:

Bei steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Auslandstätigkeit, Entsendung und Hypotax ist Fachwissen unerlässlich, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Sprechen Sie uns im Zusammenhang mit Ihrer Entsendung und den daraus resultierenden arbeits- und steuerrechtlichen Fragen an und vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder in Bonn.

Dr. Patrizia Antoni ist Fachanwältin für Steuerrecht  und Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie berät Sie in allen steuerrechtlichen und arbeitsrechtlichen Fragestellungen gerne.

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