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Die verhaltensbedingte Kündigung im Arbeitsrecht

Die verhaltensbedingte Kündigung ist der häufigste Kündigungsgrund im Arbeitsrecht, den Arbeitgeber wählen, um einen Arbeitnehmer zu entlassen. Die Voraussetzungen sind hoch und die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung hängt immer vom Einzelfall ab, denn viele Faktoren beeinflussen sich wechselseitig und können zu weitreichenden Rechtsfolgen, wie einer Sperrzeit oder Abfindungszahlungen führen.

Im neuen Blog der Kanzlei AHS Rechtsanwälte Köln und Bonn erfahren Sie, wann eine verhaltensbedingte Kündigung wirksam ist und welche rechtlichen Fallstricke drohen.

Grundsätzliches:

Möchte der Arbeitgeber einen Mitarbeiter kündigen, dann benötigt er in der Regel einen Kündigungsgrund, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erlaubt hierfür drei Fallgruppen:

Nur wenn ein Grund aus einer dieser drei Fallgruppen vorliegt, kann die Kündigung (auch die ordentliche!) überhaupt wirksam sein. Entscheidend ist hierfür aber zunächst die Frage, ob der Arbeitnehmer überhaupt Kündigungsschutz genießt – andernfalls wäre die Kündigung regelmäßig auch ohne Grund wirksam. (Eine willkürliche Kündigung kann aber auch bei einem Arbeitnehmer in der Probezeit oder einem Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz unwirksam sein.)

Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz:

Zunächst muss festgestellt werden, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt. Dies ist nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis ununterbrochen seit mehr als sechs Monaten besteht und der Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt (also rechnerisch mindestens 10,25 Arbeitnehmer). Auszubildende werden nicht mitgezählt. Vergleiche zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetz den § 23 Abs. 1 KSchG.

Wenn das Arbeitsverhältnis vor bzw. bis zum 31. Dezember 2003 begründet wurde, gilt die alte gesetzliche Regelung. Hiernach reicht es aus, wenn der Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt (also rechnerisch mindestens 5,25 Arbeitnehmer). Allerdings müssen alle Arbeitnehmer, die zur Vervollständigung dieser fünf Arbeitnehmer herangezogen werden, ebenfalls mindestens seit dem 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt sein, damit die alte Regelung weiterhin anwendbar ist (sogenannte „Altarbeitnehmer“). Vereinfacht ausgedrückt: es müssen noch mindestens mehr als fünf „Altarbeitnehmer“ im Betrieb beschäftigt sein, damit die alte Regelung anwendbar ist.

Teilzeitbeschäftigte zählen anteilig:
  • bis einschließlich 20 Wochenstunden mit dem Faktor 0,5
  • bis einschließlich 30 Wochenstunden mit dem Faktor 0,75
  • und über 30 Wochenstunden mit dem Faktor 1.

Gemäß § 1 Abs. 1 und 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt und somit unwirksam, wenn kein Grund in der Person des Arbeitnehmer vorliegt (zum Beispiel schwere, langwierige Krankheit mit negativer Gesundheitsprognose). Außerdem ist die Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn der Kündigungsgrund im Verhalten des Arbeitnehmers resultiert oder ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt.

Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung:

Bei der verhaltensbedingten Kündigung liegt der Grund für die Kündigung in einem vorwerfbaren Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss also seine Vertragspflicht in nicht unerheblichem Maße und schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig verletzt haben. Hierfür gibt es verschiedene Gründe, die unterschiedlich stark gewichtet werden.

Grundsätzlich verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten bereits dann, wenn er zu spät zur Arbeit kommt oder nachweisbar schlecht bzw. zu langsam arbeitet. Weiterhin kommen Verstöße wie Alkoholkonsum am Arbeitsplatz, die Beleidigung von Vorgesetzten, Diebstahl und Betrug oder exzessive Internetnutzung am Arbeitsplatz in Betracht. Weiterhin sind alle vertraglichen Vereinbarungen aus dem Arbeitsvertrag zur Konkretisierung der Verhaltenspflicht zu berücksichtigen, wie beispielsweise eine Verschwiegenheitsklausel oder eine vereinbarte Kleiderordnung.

Anhand der obigen Beispiele wird erkennbar, dass nicht jedes Fehlverhalten gleich stark gewichtet wird und eine Kündigung rechtfertigen kann. Damit eine verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist, müssen alle Umstände des Einzelfalls betrachtet werden und die Erheblichkeit, Häufigkeit und Vorwerfbarkeit des Pflichtverstoßes berücksichtigt werden.

Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung wegen Fehlverhaltens:

Damit die verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist, muss der Pflichtverstoß regelmäßig sehr erheblich sein oder sehr häufig vorkommen. Außerdem sind die Zeitabstände zwischen den Pflichtverstößen zu berücksichtigen. Weiterhin kommt es auf die Schwere der Vorwerfbarkeit und andere Faktoren an, wie zum Beispiel die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Wenn ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden ist, muss dieser vor Ausspruch der Kündigung angehört werden. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.

Zu guter Letzt muss die Abmahnung auch verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dem Arbeitgeber darf kein milderes Mittel zur Verfügung stehen, um den Pflichtverstoß zu sanktionieren. Ein milderes Mittel könnte zum Beispiel die Versetzung in eine andere Abteilung oder eine Abmahnung sein.

Leichte Verstöße, wie zum Beispiel Unpünktlichkeit oder Schlechtleistung am Arbeitsplatz, können eine verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich nur dann rechtfertigen, wenn sie zuvor abgemahnt wurde und dem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben wurde, sein Fehlverhalten zu erkennen und dieses abzustellen. Aber auch ein abgemahntes Verhalten kann nur dann mit der Kündigung sanktioniert werden, wenn die Zeitabstände zwischen den Verstößen vergleichsweise kurz sind. Eine Abmahnung verliert ihre Warnfunktion, wenn der Arbeitnehmer nach der letzten Abmahnung mehrere Jahre anstandslos gearbeitet hat.

Bei schweren Verstößen, wie beispielsweise Diebstahl am Arbeitsplatz oder andere strafrechtlich relevante Tatbestände, ist eine verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig auch ohne Abmahnung wirksam. In diesen Fällen sind der Pflichtverstoß und der Vertrauensverlust so groß, dass dem Arbeitgeber eine weitere Beschäftigung unzumutbar ist. Ein gravierender Pflichtverstoß rechtfertigt in der Regel sogar eine außerordentliche Kündigung.

Ordentliche und außerordentliche Kündigung:

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber bei einer Kündigung die gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen zu beachten. Die gesetzliche Kündigungsfrist ergibt sich bei einer ordentlichen Kündigung aus § 622 BGB. Vorrangig sind aber vertragliche Vereinbarungen zu berücksichtigen, beispielsweise aus einem Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag. Nur wenn nichts zu den Kündigungsfristen vereinbart wurde, gilt die gesetzliche Kündigungsfrist. Bei mehreren anwendbaren Vereinbarungen zur Kündigungsfrist, beispielsweise aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung und einem Arbeitsvertrag, wird die Kündigungsfrist über die arbeitsrechtlichen Prinzipien der Normenkollision und des Günstigkeitsprinzip gelöst.

Bei schweren Pflichtverstößen ist der Arbeitgeber aber unter Umständen zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Dies ist der Fall, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, auf Grund dessen dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, vgl. § 626 BGB. Die außerordentliche Kündigung muss dann innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Arbeitgeber von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hat.

Sperrzeit nach einer verhaltensbedingten Kündigung:

Gemäß § 159 SBG III kann die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängen, wenn der Arbeitnehmer sich ohne wichtigen Grund versicherungswidrig verhalten hat. In diesem Fall ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Sperrzeit verwirkt. Das bedeutet, dass der Anspruch nicht ruht, sondern für die Dauer der Sperrzeit komplett verfällt und auch nicht nachgezahlt wird. Die maximale Dauer der Sperrzeit beträgt zwölf Wochen. Wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel einen Anspruch auf insgesamt zwölf Monate Arbeitslosengeld hat, dann erhält er in den ersten zwölf Wochen der Sperrzeit kein Arbeitslosengeld. In diesem Fall bleiben ihm nur noch neun Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt in der Regel eine Sperrzeit, da dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird, dass er den Versicherungsfall, also den Eintritt der Arbeitslosigkeit und die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld selbst und schuldhaft herbeigeführt hat.

Aus diesem Grund sollten Arbeitnehmer eine verhaltensbedingte Kündigung auf jeden Fall von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht kontrollieren lassen. Wenn die Kündigung nicht gerechtfertigt ist, lohnt sich eine Kündigungsschutzklage am Arbeitsgericht, mit dem die Rechtswidrigkeit der Kündigung gerichtlich festgestellt werden kann.

In Einzelfällen wird eine offensichtlich unwirksame Kündigung durch den Arbeitgeber, die der Arbeitnehmer hinnimmt, vom Bundessozialgericht als Aufhebungsvertrag angesehen und die Möglichkeit einer Sperrzeit verneint. Ein Abwicklungsvertrag, in der Regel ein Vergleich mit Abfindung, rechtfertigt nach derzeitiger Rechtsprechung wohl noch eine Sperrzeit.

Zusammenfassung:

  • Wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt, ist eine Kündigung nur wirksam, wenn sie personenbedingt, verhaltensbedingt oder betriebsbedingt veranlasst ist.
  • Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen Arbeitnehmer, die seit mindestens sechs Monaten ununterbrochen in einem Betrieb mit mehr als 10 Arbeitnehmern beschäftigt sind. (Alte Regelung: mehr als fünf Arbeitnehmer.)
  • Die verhaltensbedingte Kündigung resultiert aus einem vorwerfbaren und verhaltensbedingten Pflichtverstoß des Arbeitnehmers und muss verhältnismäßig sein.
  • Leichte Verstöße müssen in der Regel abgemahnt werden, bevor eine Kündigung im Wiederholungsfall sozial gerechtfertigt ist.
  • Schwere Verstöße berechtigen den Arbeitgeber regelmäßig auch ohne vorherige Abmahnung zur Kündigung.
  • Grundsätzlich hat der Arbeitgeber auch bei einer sozial gerechtfertigten Kündigung die entsprechende Kündigungsfrist aus § 622 BGB bzw. der vertraglichen Vereinbarung zu beachten (sogenannte ordentliche Kündigung).
  • Nur in Ausnahmefällen (-bei einem schweren, verhaltensbedingten Pflichtverstoß-) ist eine außerordentliche und fristlose Kündigung zulässig.
  • Bei einer verhaltensbedingten Kündigung kann die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen verhängen, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld verwirkt wird.

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen:

Die verhaltensbedingte Kündigung knüpft an hohe rechtliche Voraussetzungen an und wirft häufig weitere Fragen auf, wie zum Beispiel eine Kündigungsschutzklage, Abfindungszahlungen oder Sperrzeiten.

Wenn Sie anwaltlichen Rat wegen einer Kündigung benötigen oder ihre betrieblichen Abläufe wirtschaftsrechtlich optimieren möchten, zögern Sie nicht, unsere Kanzlei zu kontaktieren. Wir beraten aufgrund unserer jahrelanger Erfahrung kleine und mittelständische Unternehmen genauso kompetent, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Dr. Patrizia Antoni ist Gründerin und Partnerin der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn. Frau Dr. Antoni hat den Fachanwalt für Arbeitsrecht und den Fachanwalt für Steuerrecht. Sie berät Sie in allen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragen gerne.

Beitrag veröffentlicht am
1. Juni 2015

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