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Verstoß gegen den Mindestlohn – Welcher Lohn ist zu zahlen?

Der Mindestlohn gilt seit dem 01. Januar 2015 und beträgt 9,19 Euro pro Stunde. (Stand 1.1.2019). Bis auf wenige Ausnahmen gilt der Mindestlohn bereits heute flächendeckend. Doch welche Rechtsfolgen hat ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz für den Arbeitgeber? Außerdem wird auf die Frage eingegangen, welchen Lohn Arbeitnehmer nachträglich erhalten, wenn der Mindestlohn unterschritten wurde und warum Arbeitgeber sogar für eingeschaltete Subunternehmer haften.

Grundsätzliches zum Mindestlohn:

Eine umfassende Darstellung zu den grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen des Mindestlohns erhalten Sie in unserem einführenden Blogbeitrag: „Mindestlohn – was für Arbeitgeber und Arbeitnehmer 2015 gilt“.

In dem oben verlinkten Blogbeitrag erfahren Sie auch, welche Arbeitnehmer und Branchen innerhalb einer Übergangszeit vom Mindestlohn ausgenommen sind und wie Arbeitgeber versuchen könnten, den Mindestlohn zu umgehen.

Unwirksamkeit von Abreden zur Unterschreitung des Mindestlohns:

Gemäß § 3 MiLoG sind alle Vereinbarungen, die den Mindestlohn beschränken oder ausschließen, unwirksam. Hiervon sind auch Abreden betroffen, die versuchen, den Mindestlohn auf Umwegen zu umgehen, zum Beispiel durch unbezahlte Überstunden im Niedriglohnsektor.

Aber auch solche vertragliche Vereinbarungen sind unwirksam, durch die verhindert werden soll, dass Ansprüche geltend gemacht werden, um den Mindestlohn zu erhalten. Das können zum Beispiel bestimmte Ausschlussfristen sein, nach deren Ablauf Lohnansprüche verfallen.

Folgen von Verstößen gegen den Mindestlohn:

Wenn der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wurde, hat der Arbeitnehmer einen zivilrechtlichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Nachzahlung des Differenzbetrags zwischen dem tatsächlich gezahltem Lohn und dem rechtlichen Lohnanspruch. Zusätzlich haben natürlich die Sozialkassen Anspruch auf eine Nachzahlung, da ja nicht ausreichend Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.

Außerdem wird der Arbeitgeber unter Umständen wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt und muss Bußgeld zahlen. In sehr ausgeprägten Fällen können sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Darüber hinaus können auffällig gewordene Arbeitgeber von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden, § 19 MiLoG. Dies wird häufig auf Bauunternehmer, Handwerker und Dienstleister zutreffen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Diese Rechtsfolge beginnt bereits bei Verstößen, die mit einem Ordnungsgeld ab 2.500,- Euro geahndet werden.

Schlussendlich kommt eine Haftung des Auftraggebers in Frage, der einen (gegen das Mindestlohngesetz verstoßenden) Subunternehmer eingeschaltet hat.

Der nachzuzahlende Lohn bei Unterschreitung des Mindestlohns:

Da es zu den oben genannten Fällen noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung im Arbeitsrecht gibt, ist strittig, wie der nachzuzahlende Lohn berechnet wird. Bisher gehen die meisten Arbeitsrechtler davon aus, dass die Differenz zum Mindestlohn in Höhe von 9,19 Euro aufgestockt wird. Erhält ein Arbeitnehmer also 6,50 Euro pro Stunde, dann hätte der Arbeitgeber ihm für jede geleistete Arbeitsstunde zwei Euro Stundenlohn nachzuzahlen. (Die Differenz zwischen 9,19 Euro Mindestlohnanspruch und den tatsächlich gezahlten 6,50 Euro.)

Vereinzelt gibt es allerdings auch Stimmen, die davon ausgehen, dass der durchschnittliche Branchenlohn zu zahlen ist, wenn der Mindestlohn unterschritten wurde. Dies wird damit begründet, dass ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz zu einer Unwirksamkeit nach § 134 BGB führt. In solchen Fällen würde es vollständig an einer Lohnvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fehlen. Die Rechtsfolge bei einer fehlenden Lohnvereinbarung ist gemäß § 612 Abs. 2 BGB, dass die üblich geschuldete Vergütung, zu zahlen ist. Das wäre nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das durchschnittliche Tarifgehalt der entsprechenden Branche.

Die besseren Gründe sprechen allerdings für die erste Auffassung, so dass nur die Differenz zwischen tatsächlich gezahltem Lohn und dem Mindestlohnanspruch von 9,19 Euro pro Stunde nachzuzahlen ist.

Sittenwidrigkeit von Löhnen:

Spannend wird auch die Frage zu beantworten sein, was passieren soll, wenn der der gezahlte Lohn deutlich unter dem üblichen Branchenlohn liegt. Beispielsweise, wenn ein Industriekaufmann 7,- Euro pro Stunde verdient, obwohl das durchschnittliche Tarifgehalt bei 15,- Euro Stundengehalt liegt.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sind nämlich Löhne und Gehälter, die den üblichen Branchenlohn um mehr als ein Drittel unterschreiten, sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Dann wäre die vertragliche Gehaltsabrede nichtig und somit überhaupt nicht Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden. Dies führt dann wieder automatisch dazu, dass gemäß § 612 Abs. 2 BGB der branchenübliche Lohn nachzuzahlen ist. Im obigen Beispiel wären also weitere 8,- Euro pro Stunde aufzustocken. (Die Differenz von den gezahlten 7,- Euro zu den tarifüblichen 15,- Euro.)

Allerdings ist mit Einführung des Mindestlohns fraglich, ob Löhne überhaupt noch sittenwidrig sein können, wenn sie auf den gesetzlichen Mindestlohn angehoben werden. Immerhin hat der Gesetzgeber den Mindestlohn auch aus sittlichen Gründen eingeführt, damit jeder Arbeitnehmer von seinem Verdienst leben kann. Diese Frage wird also in Zukunft von den Arbeitsgerichten zu beantworten sein. Allerdings ist tendenziell eher nicht davon auszugehen, dass das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Löhnen vollständig aufgeben wird, wenn der vereinbarte Lohn überdeutlich vom durchschnittlichen Tariflohn abweicht. Insbesondere bei nicht bei sehr qualifizierten Tätigkeiten, die üblicherweise mit deutlich über 8,50 Euro pro Stunde vergütet werden.

Bußgeldvorschriften:

§ 21 MiLoG zählt zahlreiche Tatbestände auf, die eine Ordnungswidrigkeit zur Folge haben. Die aufgezählten Tatbestände können dabei nicht nur vorsätzlich, sondern sogar fahrlässig verwirklicht werden. Hierunter fallen auch zahlreiche Dokumentations- und Nachweispflichten für Arbeitgeber, die bei einem Verstoß mit bis zu 30.000,- Euro Bußgeld geahndet werden.

Neben diesen Dokumentations- und Nachweispflichten wird besonders § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG Praxisrelevanz erfahren. Demnach handelt ordnungswidrig, wer den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Das bedeutet, dass Arbeitgeber, die den Mindestlohn unterschreiten, nicht nur dem Arbeitnehmer zivilrechtlich haften und Lohn nachzahlen müssen, sondern auch durch ein Bußgeld geahndet werden.

Brisanz erfährt diese Regelung im Zusammenhang mit § 21 Abs. 2 MiLoG. Demnach handelt auch ordnungswidrig, wer Arbeiten in erheblichem Umfang von einem Subunternehmen ausführen lässt, obwohl er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass der Subunternehmer keinen Mindestlohn zahlt. Gleiches gilt für den Entleiher, der sich Leiharbeiter bei einem Zeitarbeitsunternehmen leiht.

Wann fahrlässiges Nichtwissen vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen. Insbesondere, wenn dem Auftraggeber Anhaltspunkte für Verstöße vorliegen, wird man von Fahrlässigkeit ausgehen können. Aber auch ein offensichtlich zu geringes Preisangebot des Subunternehmers kann Anhaltspunkte liefern, dass bei Ausführung der Tätigkeit kein Mindestlohn gezahlt werden kann.

Es kann auch sein, dass die Arbeitsgerichte den Auftraggebern wiederkehrende Kontrollpflichten zumuten, wenn Subunternehmer regelmäßig und in großem Umfang eingeschaltet werden.

Beachtlich ist im Zusammenhang mit den beiden letztgenannten Vorschriften vor allem das mögliche Bußgeld von bis zu 500.000,- Euro.

Auftraggeberhaftung:

Wie bereits aufgeführt, riskieren Arbeitgeber für eigenen Vorsatz und Fahrlässigkeit Bußgelder und Nachforderungen für Lohn- und Sozialversicherungsbeiträge.

Weiterhin haften Arbeitgeber aber auch wie ein Bürge für ihre Sub- und Nachunternehmer, wenn diese bei Ausführung der beauftragten Tätigkeit keinen Mindestlohn bezahlen; § 13 MiLoG in Verbindung mit § 14 AEntG. Wichtig ist hierbei, dass die Haftung auf Aufträge im Sinne einer Generalunternehmerschaft begrenzt ist. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber für kleinere Auftragsarbeiten gegenüber den Mitarbeitern ihrer Subunternehmer nicht haften. Vielmehr muss der Subunternehmer seine Mitarbeiter einsetzen, um vertragliche Verpflichtungen des Auftraggebers zu erfüllen.

Die Haftung erstreckt sich auf die nachzuzahlenden Nettolohnforderungen der Arbeitnehmer des Subunternehmers. Nettolohn meint hierbei abzüglich der Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge. Diese Haftung gilt verschuldensunabhängig! Vorgeworfen wird dem Arbeitgeber nämlich bereits die mangelhafte Auswahl seines Subunternehmers.

Zusammenfassung:

  • Alle Vereinbarungen, die den Mindestlohn umgehen, beschränken oder seine Geltendmachung ausschließen wollen, sind unwirksam.
  • Arbeitgeber haften ihren Arbeitnehmern auf Nachzahlung von Lohn. Außerdem sind die Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen.
  • Arbeitgeber können mit einem Bußgeld von bis zu 500.000,- Euro geahndet werden, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen das Mindestlohngesetz verstoßen.
  • Bei Verstößen, die mit einem Ordnungsgeld ab 2.500,- Euro geahndet werden, droht der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.
  • Arbeitgeber haften als Bürge verschuldensunabhängig für die Lohnnachforderungen von Mitarbeiter des Subunternehmers, wenn dieser den Mindestlohn unterschreitet.
  • Bei sehr schwerwiegenden Verstößen können auch strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen:

Verstöße gegen das Mindestlohngesetz haben schwerwiegende Folgen und können unter Umständen existenzbedrohend für den Betrieb sein. Hohe Nachzahlung und Bußgeldforderungen drohen bereits bei Fahrlässigkeit und bei der Auftraggeberhaftung sogar verschuldensunabhängig. Aber auch Arbeitnehmer benötigen arbeitsrechtliche Kompetenz, wenn sie Mindestlohn nachfordern wollen.

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Dr. Patrizia Antoni ist nicht nur Fachanwältin für Steuer- und Arbeitsrecht. Sie ist außerdem Gründerin und Partnerin der Kanzlei AHS Rechtsanwälte und berät Sie gerne.

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Beitrag veröffentlicht am
1. März 2015

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