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Kurzarbeitergeld auch für UG Geschäftsführer?

Durch die Corona-Krise haben viele Unternehmen starke Umsatzausfälle erlitten. Insbesondere die Tourismusbranche kämpft mit den Auswirkungen der Pandemie. Es drohen massenhafte Kündigungen. Ein Mittel, um das zu vermeiden: Kurzarbeit. Das SG Speyer hat am 22. Juli 2020 ( Az. S 1 AL 134/20 ) entschieden, dass auch der Geschäftsführer einer UG Kurzarbeitergeld bekommt. Die Antragstellerin ist ein Tourismus- und Sportunternehmen.

Kurzarbeit kann bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) beantragt werden, um kurzfristige finanzielle Schieflagen eines Unternehmens zu kompensieren. Die Arbeitnehmer erhalten dann in den ersten drei Monaten grundsätzlich 60 Prozent des Netto-Entgelts als Kurzarbeitergeld, ab dem vierten Monat kann der Betrag erhöht werden. Die BA erstattet dem Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld sowie die Sozialversicherungsbeiträge abzüglich der Arbeitslosenversicherung.

Voraussetzung  für die Kurzarbeit ist unter anderem ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, verursacht etwa durch ein unabwendbares Ereignis wie die Corona-Pandemie. Der Anspruch steht grundsätzlich nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu. Das SG Speyer hat jetzt entschieden: Auch der Geschäftsführer einer UG kann dazu zählen.

  • Sachverhalt
  • Beschluss des Gerichts
  • Interessenabwägung
  • Kein Anspruch auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge
  • Fazit
  • Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen

Sachverhalt

Die Antragstellerin, eine Unternehmergesellschaft (UG), ist in der Tourismus- und Sportbranche tätig. Sie bietet unter anderem Unternehmensberatung, Coaching, die Planung und Durchführung von Reisen sowie Event Management an. Die UG hat einen Alleingesellschafter und beschäftigt außerdem nur noch einen Geschäftsführer. Dieser wird als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer bei ihr geführt.

Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie hatte die UG zwischen März und Mai 2020 einen erheblichen Arbeitsausfall zu verzeichnen. Dies zeigte sie bei der Antragsgegnerin, der zuständigen Arbeitsagentur, an. Diese erkannte den Arbeitsausfall zwar an, lehnte die Gewährung von Kurzarbeitergeld für den Geschäftsführer aber ab. Ihre Begründung: Der Geschäftsführer leitet das Unternehmen. Es ist gerade seine Aufgabe, neue Kunden zu finden, um so Kurzarbeit zu vermeiden. Deshalb kann er kein Kurzarbeitergeld beanspruchen.

Das sah die UG ganz anders. Sie betreibe Busreisen. Wegen der Corona-Pandemie sei es ihr nicht möglich, Reisen durchzuführen. Auch die Schulschließungen in Rheinland-Pfalz hätten sie hart getroffen. Sie hat Widerspruch gegen den Bescheid der Arbeitsagentur eingelegt. Nachdem dieser erfolglos blieb, wendete sie sich an das SG Speyer. Dort hat sie Klage erhoben und ein sogenanntes Eilverfahren angestrengt. Damit kann in besonderen Situationen schnell Klarheit erlangt werden. Sie verlangte die Gewährung von Kurzarbeitergeld für die Monate März bis Mai 2020 sowie die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge.

Beschluss des Gerichts

Das SG Speyer gab der UG im Wesentlichen recht. Nach Auffassung des Gerichts steht dem Geschäftsführer der UG ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld zu.

§ 98 Abs. 1 SGB III  nennt die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld. Das Gericht sprach hier vor allem zwei Aspekte an: die Eigenschaft als Arbeitnehmer und die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Beides liegt nach seiner Auffassung in der Person des Geschäftsführers vor. Da der Geschäftsführer als Fremdgeschäftsführer nicht am Gesellschaftskapital der UG beteiligt sei, übe er eine abhängige Beschäftigung aus. Damit schließt sich das SG Speyer der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu den Fremdgeschäftsführern einer GmbH an (vgl. etwa Urteil des BSG vom 14. März 2018,  Az. B 12 R 5/16 ).

Interessenabwägung

Bei einem Eilverfahren ist aber immer zu berücksichtigen, dass es sich nur um eine vorläufige Prüfung handelt. Die Entscheidung über die Klage steht noch aus und es kann auch sein, dass das Urteil dann anders ausfällt. Deshalb muss das Gericht immer noch eine Interessenabwägung vornehmen: Auf der einen Seite stehen die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht dem Antrag im Eilverfahren stattgibt, der Anspruch aber tatsächlich nicht besteht. Auf der anderen Seite sind die Konsequenzen zu berücksichtigen, die entstehen, wenn das Gericht den Antrag ablehnt, der Anspruch aber in Wirklichkeit besteht.

Auch diese Abwägung fällt hier klar zugunsten der UG aus: Wenn der Geschäftsführer kein Kurzarbeitergeld bekommt, muss die UG höchstwahrscheinlich das Arbeitsverhältnis mit ihm beenden. Der Geschäftsführer würde dann arbeitslos werden. Denn: Der Unternehmenszweck ist im Wesentlichen auf die Durchführung von Reisen und die Schülerbeförderung gerichtet. Beide Geschäftsbereiche sind momentan stark von der Corona-Krise betroffen. Nach den Angaben der UG konnte sie ihrem Geschäftsführer von März bis Mai keinen Lohn auszahlen. Das Unternehmen ist in seiner Existenz bedroht. Genau das sollen die  neuen befristeten Regelungen  für das Kurzarbeitergeld vermeiden: Ziel ist es, möglichst viele Arbeitnehmer durch das Kurzarbeitergeld in einem Beschäftigungsverhältnis zu halten.

Der Geschäftsführer erhielt auch keine anderen Leistungen, etwa Arbeitslosengeld, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wenn er kein Kurzarbeitergeld erhielte, entstünden deshalb schwere Nachteile.

Diese Nachteile überwiegen klar gegenüber den Folgen eines tatsächlich nicht bestehenden Anspruchs. Dann müsste der Geschäftsführer selbst die gezahlten Beträge an die Arbeitsagentur erstatten. Denn er selbst ist der Inhaber des Anspruchs. Die UG macht nur seine Rechte im Prozess geltend.

Kein Anspruch auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge

Einen Anspruch auf Erstattung der für den Geschäftsführer entrichteten Sozialversicherungsbeiträge hat das Gericht hingegen abgelehnt. Auch hier war wieder zu berücksichtigen, dass im Eilverfahren nur vorläufige Regelungen zur Abwendung besonders schlimmer Nachteile getroffen werden. 

Nacht Ansicht des Gerichts hat die UG hier nicht dargelegt, dass sie durch die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge in eine „existenzielle Notlage“ gekommen sei.

Fazit

Die Corona-Krise stellt Betriebe vor zuvor nie dagewesene Herausforderungen. Insbesondere Unternehmen aus der Tourismusbranche haben teilweise einen kompletten Umsatzausfall zu verzeichnen. Auf diese Umstände hat der Gesetzgeber reagiert und mit dem Gesetz zur Erleichterung der Kurzarbeit die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeit herabgesenkt. Vor diesem Hintergrund erscheint es konsequent, dass auch ein Geschäftsführer einer UG Kurzarbeitergeld bekommt. Würde ihm der Anspruch versagt, würde er höchstwahrscheinlich in die Arbeitslosigkeit fallen.

Es ist noch nicht bekannt, ob die Arbeitsagentur Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 22. Juli 2020 eingelegt hat. Auch die Entscheidung über die Klage in gleicher Sache (Az. S 1 AL 131/20) des SG Speyer steht noch aus. Über die aktuellen Entwicklungen werden wir Sie auf dem Laufenden halten.

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen

Gerade im Zusammenhang mit den Regelungen zum Kurzarbeitergeld bestehen häufig noch Unklarheiten. Aber: Bedingt durch die Corona-Krise gibt es hier einige Erleichterungen. Wir kennen die neuen Regelungen und beraten Sie gerne im gesamten Arbeits- und Sozialrecht.

Dr. Patrizia Antoni  ist Fachanwältin für  Arbeitsrecht  und Fachanwältin für  Steuerrecht . Sie berät Sie in allen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen gerne.

Kontaktieren Sie uns unverbindlich und vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in  Köln  oder  Bonn , aber gerne auch telefonisch.

Wir bieten für Sie auch Besprechungen per Videokonferenz an!

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