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Pflicht der Arbeitszeiterfassung Urteil

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung - BAG 1 ABR 22/21

Vor einiger Zeit hat der EUGH entschieden, dass eine grundsätzliche Verpflichtung zur vollständigen Arbeitszeiterfassung bestehen soll. Dieses ergab sich nach bisheriger Auffassung jedoch nicht aus den deutschen Arbeitsgesetzen, so dass ein aktueller Handlungszwang (noch) nicht bestand. Überraschend entschied jetzt das BAG BAG in seinem Urteil zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung ( BAG 1 ABR 22/21 ), dass eine gesetzliche Pflicht zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems sich unmittelbar aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG herleiten lasse. Zur Begründung gibt das BAG an, dass Arbeitszeiterfassung als "Organisation einer erforderlichen Maßnahme des Arbeitsschutzes", zur Sicherung des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten dient. Hierzu ist der Arbeitgeber nach dem ArbSchG verpflichtet. Die Entscheidung setzt die Arbeitgeber unter Zugzwang, entsprechende Erfassungssysteme zu etablieren , um unliebsame Rückfragen der Aufsichtsbehörden zu vermeiden.

Gesetz zur Arbeitszeiterfassung – Was ändert sich?

Bislang bestand nach § 16 Absatz 2 des Arbeitszeitgesetzes die Pflicht für Arbeitgeber lediglich die werktägliche Arbeitszeit über acht Stunden sowie der gesamten Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen aufzuzeichnen. Zudem musste eine Zeiterfassung gemäß § 17 des MiLoG , für Minijobber erfolgen. Der Arbeitgeber muss die Arbeitszeitnachweise mindestens zwei Jahre aufbewahren und auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorlegen oder zur Einsicht zusenden.

Nach dem neuen Gesetz zur Arbeitszeiterfassung des BAG reicht es nun jedoch nicht mehr aus, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeit entsprechend den derzeitigen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes aufzeichnet. Laut dem Urteil des BAG zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung ist nun die gesamte Arbeitszeit aufzuzeichnen. Um die Einhaltung der Höchstarbeitszeit sowie der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten wirksam gewährleisten zu können, muss der Arbeitgeber Beginn, Ende und konkrete Dauer der täglichen Arbeitszeit jeder Arbeitnehmerin bzw. jedes Arbeitnehmers aufzeichnen. Der Arbeitgeber darf mit der Arbeitszeiterfassung auch nicht warten, bis das Arbeitszeitgesetz an das Urteil des BAG angepasst ist. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 13. September 2022 verbindlich festgestellt, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist und die Vorgaben der Entscheidung des BAG bereits jetzt geltendes Recht sind.

Arbeitszeiterfassung Arbeitnehmer- und Arbeitgeberpflichten

Auch wenn die Entscheidung des BAG für Arbeitgeber in Deutschland, insbesondere auch mit Blick auf Vertrauensarbeitszeit und die modernen Arbeitsformen, wie z.B. Remote Work problematisch erscheint, und sicherlich viele Arbeitgeber in Bezug auf die Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems unter gewissen Druck setzt, sollten zum jetzigen Zeitpunkt noch keine übereilten oder schlecht geregelte Entscheidungen im Hinblick auf arbeitsvertragliche Ausgestaltung und Einführung getroffen werden. 

Denn Vertrauensarbeitszeit bedeutet für den Arbeitnehmer ein flexibles Arbeitszeitmodell, bei dem Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten eigenverantwortlich planen und dafür sorgen, dass sie das mit ihrem Arbeitnehmer vereinbarte "Zeitvolumen" der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfüllen. Hierbei sind die Rahmenbedingungen des Arbeitszeitgesetzes wie bisher einzuhalten. Ändern wird sich der Kern der Vertrauensarbeitszeit : der Verzicht auf Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Mitarbeiter mit Vertrauensarbeitszeit. Denn dieses lässt sich kaum mit den neuen Erfassungspflichten vereinen. Die Flexibilität der Vertrauensarbeitszeit bleibt zwar bestehen, die Vertrauenskomponente wird jedoch in Zukunft um Dokumentation ergänzt. Dieses gilt auch - und gerade - im Homeoffice. Die Vorgaben zur täglichen Höchstarbeitszeit und zu Pausen- und Ruhezeiten sind auch bei mobiler Arbeit einzuhalten und zu dokumentieren. (Das BMAS plant einen neuen Rechtsrahmen bezüglich mobiler Arbeit, dieses wird allerdings nicht vor 2023 erfolgen.)

Fazit ist somit, dass der Arbeitgeber dafür verantwortlich ist, die geltenden Gesetze einzuhalten und dass er verpflichtet ist, seinen Betrieb dahingehend (neu) zu organisieren, dass die Arbeitszeiten der Mitarbeiter vollständig dokumentiert werden. Diese Pflicht ergibt sich unmittelbar aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz.

Arbeitszeiterfassung Urteil & Begründung des BAG

Wie das BAG nun festgestellt hat, bestand die Verpflichtung zur Zeiterfassung auch früher schon. Die europäischen Vorgaben des Arbeitszeitrechts wurden laut BAG bislang in Deutschland nicht richtig umgesetzt. Das BAG hat daher entschieden, dass eine Gesetzesänderung nicht notwendig ist, die Pflicht folgt unmittelbar aus den Regelungen zum Arbeitsschutz . Diese Entscheidung folgt aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Bereits im Mai 2019 hatte dieser anlässlich der Vorlage eines spanischen Gerichts entschieden, dass der Arbeitsschutz nur gewährleistet ist, wenn die Arbeitgeber die Arbeitszeit erfassen  EuGH Urteil v. 14.05.2019 - C-55/18 .

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung trifft zunächst die Arbeitgeber, diese müssen laut Beschluss des BAG: 

-Lage; 

-Beginn;

-Dauer und Ende der Arbeitszeit tatsächlich erfassen.

Die bloße Bereitstellung eines Zeiterfassungssystems reicht nicht aus. Konkret bedeutet dies, dass die genaue Uhrzeit des Anfangs und das Ende der Arbeit notiert werden müssen. Eine pauschale Notiz, dass ein Beschäftigter acht Stunden gearbeitet und 30 Minuten Pause gemacht hat, reicht somit nicht aus.  

Die Zeiterfassung muss nicht elektronisch erfolgen, auch ist nicht nur der Arbeitgeber alleine für die Arbeitszeiten für jeden einzelnen seiner Beschäftigten verantwortlich und muss diese nicht individuell notieren. Es darf die Zeiterfassung an die einzelnen Mitarbeiter übertragen werden. Der Arbeitgeber muss jedoch Vorgaben machen , wie z.B. ein Dokument vorbereiten, in das die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten eintragen können. Weiterhin muss der Arbeitgeber kontrollieren, dass die Arbeitszeiten dokumentiert werden. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass alle Arbeitszeiten korrekt eingetragen wurden, sondern muss dies überprüfen. Wichtig ist, dass die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten überprüfbar ist. Wie Unternehmen dies überprüfen wollen, ist ihnen freigestellt, hier haben sie einen Gestaltungsspielraum.

Die Rechtsprechung zur Zeiterfassung geht auf eine Klage eines Betriebsrats zurück, der seine Mitbestimmung geltend gemacht hat. Da die Zeiterfassung eine Pflicht der Arbeitgeber ist , hat laut BAG der Betriebsrat weder ein Initiativrecht noch ein Mitbestimmungsrecht zur Frage des "ob" der Zeiterfassung. Bei der Ausgestaltung der Zeiterfassung, also beim "wie" besteht aber ein umfassendes Mitbestimmungsrecht aus  § 87 BetrVG .

Zusammenfassung Arbeitszeiterfassung

  • Bislang bestand die Pflicht für Arbeitgeber nur die werktägliche über acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit sowie die gesamte Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen aufzuzeichnen.
  • Zudem musste eine Zeiterfassung für Minijobber erfolgen.
  • Nach der Entscheidung des BAG vom 13.09.2022, ist nun die gesamte Arbeitszeit für alle Arbeitsverhältnisse aufzuzeichnen:
  • Aufzeichnungspflicht: das Zeiterfassungssystem darf sich nicht darauf beschränken, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) lediglich zu „erheben“. 
  • Daten müssen genau erfasst und aufgezeichnet werden. Anderenfalls sind weder die Lage der täglichen Arbeitszeit noch die Einhaltung der täglichen und der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten innerhalb des Bezugszeitraums überprüfbar. 
  • Nicht nur Bereitstellung zur freiwilligen Nutzung: die Pflicht zur Einführung beschränkt sich nicht darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ein Zeiterfassungssystem zur Nutzung und zur Verfügung stellt. 
  • Nach der Rechtsprechung muss der Arbeitgeber auch tatsächlich Gebrauch machen und es damit verwenden und die Zeiterfassung auch überprüfen. 

Beitrag veröffentlicht am
5. Januar 2023

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