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Aufhebungsvertrag widerrufen

Häufig ist das Ende einer Geschäftsbeziehung für beide Seiten keine schöne Angelegenheit. Jede Vertragspartei möchte bestmöglich ihre Interessen durchsetzen. Mit einem Aufhebungsvertrag können die Parteien einvernehmlich das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung beenden. Doch kann ein Aufhebungsvertrag auch widerrufen werden?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Urteil vom 07.02.2019 (Az. 6 AZR 75/18) unter anderem mit der Frage beschäftigt, welche Anforderungen an das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrages zu stellen sind.

Eine wichtige Fallgruppe ist hierbei das Widerrufsrecht (§ 355 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Ein „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ liegt vor, wenn der Unternehmer den Verbraucher außerhalb seiner Geschäftsräume bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit persönlich und individuell anspricht und es unter diesen Umständen zum Vertragsschluss kommt. Der Zweck liegt darin, den Verbraucher vor Überrumpelung durch das Überraschungsmoment oder einer psychischen Drucksituation zu schützen. Aber gilt das Widerrufsrecht auch, wenn ein Aufhebungsvertrag in der Wohnung des Arbeitnehmers abgeschlossen wird?

Das Bundesarbeitsgericht verneint das; BAG 6 AZR 75/18.

Es lässt allerdings eine Hintertür für das Widerrufsrecht beim Aufhebungsvertrag zu, wenn besondere Umstände hinzukommen.

Aufhebungsvertrag Widerrufsrecht

In dem zu entscheidenden Fall war die Klägerin (= die Arbeitnehmerin) bei der Beklagten als Reinigungskraft angestellt. Sie hatte sich krankgemeldet. Dennoch suchte der Lebensgefährte der Beklagten sie am gleichen Tag in ihrer Wohnung auf und legte ihr einen Aufhebungsvertrag zur Unterschrift vor. Der Vertrag sah die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vor.

Die Klägerin unterschrieb den Aufhebungsvertrag unter dem Einfluss von Schmerzmitteln. Später hat die Arbeitnehmerin den Aufhebungsvertrags wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen.

Das BAG hat zunächst klargestellt, dass der Klägerin kein Widerrufsrecht des Aufhebungsvertrages nach § 355 i.V.m. § 312g Abs. 1, § 312 b BGB zusteht. Zwar handele es sich bei dem Aufhebungsvertrag um einen Verbrauchervertrag. Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren aber deutlich gemacht, dass er arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge gerade nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einbeziehen wolle und somit der Aufhebungsvertrag nicht widerrufen werden kann.

Aufhebungsvertrag widerrufen wegen vorübergehender Störung der Geistestätigkeit

Zwar stand die Klägerin bei Abschluss des Aufhebungsvertrages unter dem Einfluss von Schmerzmitteln, nach Ansicht des BAG hat dies jedoch nicht dazu geführt, dass sie vorübergehend als geschäftsunfähig anzusehen gewesen wäre. In einem solchen Fall wäre der Aufhebungsvertrag unwirksam gewesen.

Aufhebungsvertrag widerrufen wegen Missachtung des Gebots fairen Verhandelns

Stärkere Beachtung hätte nach Ansicht des BAG die Frage verdient, ob der Aufhebungsvertrag gegen das Gebot fairen Verhandelns verstößt. Ein Arbeitnehmer darf mit den Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag nicht überrumpelt werden, wenn er gerade überhaupt nicht damit rechnen muss. Das kann zum Beispiel sein, wenn der Arbeitgeber ihn zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten überrascht.

Das Gebot des fairen Verhandelns bei einem Aufhebungsvertrag ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Solche Pflichten halten die Parteien eines Vertrages zur Rücksichtnahme auf die geschützten Interessen des anderen Vertragspartners an. Beispielsweise muss ein Handwerker bei Ausführung eines Reparaturauftrages darauf achten, keine Gegenstände in der Wohnung seines Kunden zu beschädigen.

Aufhebungsvertrag erzwingen – ist das möglich?

Nein, keiner der Vertragspartner kann einen Aufhebungsvertrag erzwingen. Bei einem Aufhebungsvertrag schützt das Gebot fairen Verhandelns die Entscheidungsfreiheit der Vertragspartner bei den Verhandlungen. Das bedeutet etwa, dass die Entscheidung einer Partei nicht unangemessen und unsachlich beeinflusst werden darf. Beispiele für eine unzulässige Beeinflussung sind Drohungen oder die Ausnutzung einer Machtposition zu eigenen Zwecken und zum Nachteil der Gegenseite.

Eine Vertragspartei verhält sich pflichtwidrig, wenn sie eine konkrete Situation herbeiführt oder ausnutzt, in der die andere Partei unfair behandelt wird. Dafür reicht es noch nicht aus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Bedenkzeit oder kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt (vgl. auch B AG vom 14.02.1996, Az. 2 AZR 234/95 ). Der Arbeitgeber muss eine geplante Aufhebungsvereinbarung auch nicht ankündigen.

Die Grenze des Zulässigen ist aber dann überschritten, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation herstellt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar ganz unmöglich macht – ein Aufhebungsvertrag sozusagen erzwungen wird. Nicht erlaubt ist es beispielsweise, besonders unangenehme Rahmenbedingungen zu schaffen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken.

Aufhebungsvertrag unterschreiben während Krankheit

Ist ein unterschriebener Aufhebungsvertrag während Krankheit überhaupt gültig? Wie im Beispielsfall des BAG kommt hier auch die bewusste Ausnutzung einer erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche in Betracht. Insbesondere kann es dem Arbeitgeber bei einer Kurzerkrankung des Arbeitnehmers zugemutet werden, erst nach dessen Genesung über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verhandeln. Die unaufgeforderte Vorlage einer Aufhebungsvereinbarung in der Wohnung des kranken und körperlich geschwächten Arbeitnehmers verstößt deshalb gegen das Gebot fairen Verhandelns. Dies gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber diese Situation gezielt ausnutzt.

Auch unzureichende Sprachkenntnisse oder eine Überrumpelung des Vertragspartners können seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen. Maßgeblich ist aber in jedem Fall die konkrete Situation. Es existieren zwar Grenzen, bei deren Überschreitung das Gebot fairen Verhandelns verletzt ist. Hier kommt es aber immer auf die genauen Umstände des Einzelfalles an.

Aufhebungsvertrag anfechten

Wann kann man einen Aufhebungsvertrag anfechten ? Bei einem schuldhaften Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns verletzt der Vertragspartner eine vertragliche Nebenpflicht. Dann ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) muss der Aufhebungsvertrag dann grundsätzlich rückgängig gemacht werden (vgl. etwa BGH vom 04.12.2015, Az. V ZR 142/14 ). Voraussetzung hierfür ist aber ein aus dem Vertrag erwachsener wirtschaftlicher Nachteil.

Ein unfair ausgehandelter Aufhebungsvertrag führt im Regelfall zu einem wirtschaftlichen Schaden des anderen Vertragspartners. Für den Arbeitnehmer hat er den Wegfall des Arbeitsplatzes zur Folge und damit auch den Verlust des Einkommens aus der Tätigkeit.

Der Schadensersatzanspruch der Partei wegen der Missachtung des Gebots fairen Verhandelns führt zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen. Der Arbeitsvertrag muss nicht neu abgeschlossen werden.

In einem möglichen Prozess muss derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages beruft, den Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns beweisen.

Aufhebungsvertrag Widerrufsrecht – Zusammenfassung:

  • Durch einen Aufhebungsvertrag kann die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandelt und selbst gestaltet werden.
  • Dabei gibt es aber rechtliche Grenzen, die unbedingt beachtet werden müssen.
  • Das Gebot fairen Verhandelns schützt die Entscheidungsfreiheit der Vertragspartner bei Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag – es ist nicht möglich einen Aufhebungsvertag zu erzwingen.
  • Ein geplanter Aufhebungsvertrag muss nicht angekündigt werden.
  • Eine Verletzung des Gebots fairen Verhandelns ist etwa dann anzunehmen, wenn eine Partei eine psychische Drucksituation schafft oder zu ihrem Vorteil nutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar ganz unmöglich macht. Dies kann beispielsweise die bewusste Ausnutzung einer erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche sein.
  • Folge eines Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns ist die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages. Dann muss das ursprüngliche Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortgesetzt werden.

Aufhebungsvertrag anfechten – arbeitsrechtliche Hilfe:

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann für beide Seiten vorteilhaft sein. Er muss jedoch rechtssicher ausgehandelt und auch formuliert werden, um späteren Ärger zu vermeiden. Wir unterstützen Sie gerne in sämtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit einem Aufhebungsvertrag . Im Zweifel vertreten wir Sie auch vor der Agentur für Arbeit und dem Arbeits- oder Sozialgericht.

Dr. Patrizia Antoni ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie berät Sie in allen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen gerne.

Kontaktieren Sie uns unverbindlich und vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn , aber gerne auch telefonisch.

Beitrag veröffentlicht am
7. Oktober 2020

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