Sofortkontakt zur Kanzlei
AHS Rechtsanwälte
Aktuelle News
 

§ 50d Abs. 12 EStG – Abfindung und DBA

Um eine Abfindung in Deutschland versteuern zu können, obwohl der Empfänger bereits seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt hat (insbesondere Schweiz, Großbritannien, Österreich, Belgien, Niederlande oder Luxemburg) versucht der Gesetzgeber mit einem neuen § 50d Abs. 12 EStG nachzubessern.

In der Vergangenheit hat der Bundesfinanzhof (BFH) der Finanzverwaltung einen Riegel vorgeschoben, wenn das deutsche Finanzamt bei bestimmten Steuerausländern ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland versucht hat eine anlassbezogene Abfindung zu versteuern.

Im folgenden Beitrag erläutern wir die aktuelle Rechtslage und geben eine Einschätzung ab, ob der Gesetzgeber mit § 50d Abs. 12 EStG eine rechtlich wirksame Grundlage geschaffen hat, um bestimmte Abfindungen in Deutschland nun einkommenssteuerpflichtig zu machen oder ob die Abfindung weiterhin steuerfrei bleibt.

Abfindung und DBA:

Wir berichteten in der Vergangenheit bereits ausführlich über die Besteuerung einer Abfindung aus Deutschland, wenn der Empfänger mittlerweile in der Schweiz oder steuerrechtlich ähnlich einzuordnenden Ländern wohnt.(Verfolgen Sie hier den bisherigen Verfahrensgang).

Im Wesentlichen konnte der Empfänger bei einer anlassbezogenen Abfindung in bestimmten Ländern erreichen, dass seine Abfindung steuerfrei bleibt. Eine anlassbezogenen Abfindung ist zum Beispiel eine Abfindung, die wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes oder als Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird.

Aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) beispielsweise mit der Schweiz, Großbritannien, Österreich, Holland oder Luxemburg lag das Besteuerungsrecht eigentlich bei diesen Vertragsstaaten, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Zuflusses der Abfindung dorthin verlagert hatte.

Dies ordnet Art. 15 I 1 OECD Musterabkommen (MA) an, der wortgleich für eine Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Staaten übernommen wurde (zum Beispiel DBA CH).

  • Nach Artikel 15 I OECD MA können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird.(…)“ 

Eine anlassbezogene Abfindung wird steuerrechtlich also so behandelt, dass sie nicht als für „Arbeit in einem anderen Vertragsstaat“ qualifiziert wird. Mit „anderem Vertragsstaat“ ist hierbei Deutschland gemeint, also der ehemalige Tätigkeitsort aus dem die Abfindung stammt. Sie resultiert zwar aus der früheren Tätigkeit in Deutschland, sie stellt steuerrechtlich jedoch kein Entgelt für diese frühere Tätigkeit dar. 

Entscheidend ist hierbei nämlich die steuerrechtliche Qualifikation als anlassbezogene Abfindung.

Wenn die Abfindung nämlich für den Verlust eines Arbeitsplatzes oder für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, dann handelt es sich dabei um einen Ausgleich für den Verlust der Arbeitsstelle und den damit verbundenen Nachteilen, wie beispielsweise entgangene Einkünfte.

In diesen Fällen steht die Abfindung in keinem konkreten Zusammenhang mit der bisher ausgeübten Tätigkeit im Quellenstaat; also Deutschland. Nach Ansicht der deutschen Finanzgerichte besteht der Zusammenhang zwischen der Abfindung und der alten Tätigkeit nämlich nur aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (sogenannter Anlasszusammenhang).

Bestimmte Länder wie beispielsweise die Schweiz, denen das Besteuerungsrecht aufgrund des DBA zugewiesen ist, verzichten jedoch in ihrem nationalen Steuerrecht auf eine Besteuerung bestimmter ausländischer Abfindungszahlungen.

Somit kann eine Abfindung in beiden Ländern steuerfrei bleiben. Um dies zu verhindern haben der deutsche Gesetzgeber und die Finanzverwaltung in der Vergangenheit erfolglos versucht, Wege zu finden, damit die Abfindung doch noch versteuer werden kann. Nun folgt mit dem zum 01.01.2017 in Kraft getretenen § 50d XII EStG ein neuer Versuch.

§ 50d Abs. 12 EStG:

50d XII EStG lautet:
  • Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, gelten für Zwecke der Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als für frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt.“

Hiermit soll nun auch die bloß anlassbezogene Abfindung (s.o.), wie zum Beispiel eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes oder die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die steuerrechtlich in keinem konkreten Verhältnis zur früheren Tätigkeit steht, so umgedeutet werden, dass Art. 15 Abs. 1 OECD MA / DBA CH, GB etc. nicht mehr anwendbar ist, weil die Abfindung nun als Entgelt für eine frühere Tätigkeit umqualifziert wird, vgl. § 50d Abs. 12 EStG.

Dies liegt daran, dass in den einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen nach Art. 15 I OECD MA bzw. DBA CH, DBA GB etc. dem neuen Ansässigkeitsstaats nur dann das Besteuerungsrecht zusteht, wenn die Abfindungsvergütung in keinem direktem Bezug zur früheren Tätigkeit steht.

Wegen § 50d Abs. 12 EStG gilt nun aber die gesetzliche Fiktion, dass die Abfindung doch in einem konkretem Bezug zur früheren Tätigkeit steht und somit vorrangig im Quellenstaat (Deutschland) einkommenssteuerpflichtig ist, weil das DBA dann nicht mehr einschlägig ist.

Rechtliche Einschätzung und Rechtsschutz:

Zunächst muss festgehalten werden, dass der Gesetzgeber mit § 50d Abs. 12 EStG gründlicher gearbeitet hat, als bei seinen vorherigen Versuchen.

Dieses Mal wird die Rechtsfolge und das DBA konkret durch ein Parlamentsgesetz vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber angepasst.

Vorher sollte das DBA durch die Finanzverwaltung und somit nicht durch den parlamentarischen Gesetzgeber angepasst werden. Hiermit wird grundsätzlich auch nicht mehr gegen das Gewaltenteilungsprinzip, den Vorrang des Gesetzes und das Bestimmheitserfordernis verstoßen.

Allerdings ist fraglich und muss wohl erst durch die Rechtsprechung entschieden werden, ob der Gesetzgeber die Tatbestandsmerkmale einer Norm beliebig umdeuten kann. Hier also die Umqualifikation einer bloß anlassbezogenen Abfindung ohne unmittelbaren Bezug zur früheren Tätigkeit in ein direktes Entgelt für eine frühere Tätigkeit.

Darüber hinaus ist der Vertrauensschutz zu beachten. Auf jeden Fall sollten sich die Betroffenen, die vor der Verkündung von § 50d Abs. 12 EStG am 20.12.2016 ihren Abfindungsvertrag vereinbart haben, auf Vertrauensschutz berufen.

Aber auch für die späteren Fälle kann im Einzelfall vorsorglich Einspruch gegen den Steuerbescheid erhoben werden, da erst geklärt werden muss, ob die gesetzliche Fiktion des § 50d Abs. 12 EStG überhaupt wirksam ist. Denn wenn der Steuerbescheid nach der Einspruchsfrist bestandskräftig ist, kann unter Umständen endgültig viel Geld verloren sein.

Zusammenfassung:
  • Bisher konnte eine anlassbezogene Abfindung komplett steuerfrei sein, wenn der Empfänger bei Zufluss der Abfindung seinen Wohnsitz in einem Land hat, auf das bestimmte Doppelbesteuerungsabkommen anwendbar sind. (Schweiz, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich, Großbritannien).
  • Nun soll der neue § 50d Abs. 12 EStG dafür sorgen, dass auch die anlassbezogene Abfindung in Deutschland der Einkommenssteuer unterliegt.
  • Allerdings ist fraglich, ob der Gesetzgeber durch eine gesetzliche Fiktion eine anlassbezogene Abfindung, die eigentlich nach DBA nur im Ansässigkeitsstaat versteuert werden kann, ohne weiteres als Entgelt für eine frühere Tätigkeit in Deutschland umqualifizieren kann.
  • Darüber hinaus sollten sich Betroffene auf Vertrauensschutz berufen, wenn sie ihren Abfindungsvertrag vor der Gesetzesverkündung am 20.12.2016 vereinbart haben.
  • Aber auch für aktuelle Fälle aus 2017 kann sich ein Einspruch wegen der vorliegenden Rechtsunsicherheit lohnen.

Hilfe bei steuerrechtlichen Fragen:

Weiterhin besteht Rechtsunsicherheit bezüglich der deutschen Besteuerung einer Abfindung in bestimmten Ländern, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz im Ausland hat. Gerade bei Abfindungsverträgen die vor 2017 abgeschlossen wurden lohnt sich unbedingt eine rechtliche Prüfung oder ein Einspruch gegen den Steuerbescheid. Aber auch der vorläufige Rechtsschutz kommt in Frage, falls der Arbeitgeber die Lohnsteuer für die Abfindung einbehält. Wir beraten Sie gerne im Steuerrecht und im gesamten Wirtschaftsrecht.

Dr. Patrizia Antoni hat den Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Sie berät Sie in allen steuerrechtlichen und arbeitsrechtlichen Fragen gerne. Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn.

Diese Fachbeiträge könnten Sie auch interessieren: