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Festhaltenserklärung und Scheinwerkvertrag im neuen AÜG 2017

Die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) zum 01.04.2017 ist bereits beschlossen.

Ein Schwerpunkt soll in der Eindämmung der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung und von Scheinwerkverträgen liegen.

Insbesondere das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags mit dem Entleiher soll nun nicht mehr von der Vorratserlaubnis bzw. der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung abhängen.

Wir erläutern diese spezielle Änderung im AÜG und erklären, worauf die vertraglichen Grundlagen nun unbedingt überprüft werden müssen, wie sich die Festhaltenserklärung auswirkt und wie die Rechtsfolgen in der Praxis unter Umständen umgangen werden können.

Grundsätzliches zum neuen AÜG 2017:

Die wichtigsten Änderungen im neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) haben wir bereits in diesem Blog umfassend besprochen. Nun ist die endgültige Fassung der Gesetzesänderung beschlossen und wird am 01.04.2017 in Kraft treten. Sie können sich die Beschlussempfehlung hier im genauen Wortlaut durchlesen.

Ein wesentliches Ziel der Gesetzesänderung ist die Eindämmung der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung, auch als Scheinwerkvertrag bekannt.

Hier wird die Änderung des AÜG in den §§ 1 und 9 AÜG (s.u.) wohl dazu führen, dass sich auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung im Vergleich zu BAG 9 AZR 352/15 ändern wird. Bisher machte das BAG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeiter bei Scheinwerkverträgen noch von der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung abhängig.

Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerkvertrag) im AÜG:

Ausführliche Informationen zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung finden Sie in unserem Beitrag zu Scheinwerkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung.

Im Wesentlichen geht es dabei darum, dass im Rahmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung das AÜG gilt.

Ein Scheinwerkvertrag soll die Anwendung des AÜG durch eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung verhindern. Hierfür wird zum Schein ein Werkvertrag zwischen Auftraggeber (Entleiher) und Auftragnehmer (Verleiher) geschlossen und der Arbeitnehmer zum Entleiher versendet.

Nun war es bisher so, dass das AÜG nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und dem Leiharbeiter anordnet, wenn das Arbeitsverhältnis wegen § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam war.

Das war nach Nr. 1 aber nur dann der Fall, wenn der Verleiher nicht die erforderliche Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung besitzt. Dann war der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher oder Verleiher und Leiharbeiter unwirksam.

Die Rechtsfolge, dass dann automatisch ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeiter und dem Entleiher zustande kommt, konnte jedoch durch eine vorsorgliche beantragte oder eine tatsächlich vorhandene Erlaubnis umgangen werden – selbst dann, wenn bloß ein Scheinwerkvertrag vorlag.

Erlaubnis zur AÜ und Scheinwerkvertrag im neuen AÜG:

Im neuen AÜG werden die §§ 1 und 9 geändert. Die Änderung bewirkt, dass die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG nun auch bei Scheinwerkverträgen und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung eintritt und nicht ausschließlich nur dann, wenn dem Verleiher die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung fehlt.

§ 1 Absatz 1 Satz 5 und 6 AÜG lauten in Zukunft:

  • ….Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.“

§ 9 Nr. 1a wird dem neuen AÜG hinzugefügt:

  • Unwirksam sindNr. 1a.: Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn entgegen § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6 die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist…“ 

Das bedeutet in der Praxis, dass verdeckte Arbeitnehmerüberlassung und ein Scheinwerkvertrag zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags zwischen Zeitarbeitsfirma (Verleiher) und dem Leiharbeiter führen. Und bei einem unwirksamen Arbeitsvertrag zwischen Zeitarbeitsfirma und Leiharbeiter kommt dann wegen § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Leiharbeiter zustande:

  •  Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 unwirksam (s.o.), so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen…

Festhaltenserklärung und Umgehung des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses:

Zeitarbeitsfirmen und Entleiher haben unter Umständen trotzdem die Möglichkeit das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeiter und Entleiher zu verhindern. Denn der neue § 9 Nr. 1a AÜG beinhaltet folgenden Zusatz, der die Unwirksamkeit des Scheinwerkvertrages ausschließt:

  • „…es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält.“ = "Festhaltenserklärung"

Diese Festhaltenserklärung soll dem Leiharbeiter ermöglichen, dass er selbst entscheidet, ob er überhaupt möchte, dass der Arbeitsvertrag zwischen ihm und der Zeitarbeitsfirma unwirksam wird und kraft Gesetz ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet wird. Im Zweifel kann es wegen der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, der Solvenz des Entleihers oder aus persönlichen Gründen vorteilhaft für den Leiharbeiter sein, wenn er bei der Zeitarbeitsfirma angestellt bleibt.

Die Festhaltenserklärung muss von der Agentur für Arbeit abgezeichnet werden und dann innerhalb von drei Tagen dem Verleiher oder dem Entleiher vorgelegt werden:

  • „Die Erklärung nach Absatz 1 Nummer 1, 1a oder 1b (Festhaltenserklärung) ist nur wirksam, wenn 1. der Leiharbeitnehmer diese vor ihrer Abgabe persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegt,

    2. die Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat, und

    3. die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Ver- oder Entleiher zugeht.“

Wichtig in diesem Zusammenhang ist der neu eingefügte Absatz 3 in § 9 AÜG:

  • Eine vor Beginn einer Frist nach Absatz 1 Nummer 1 bis 1b abgegebene Festhaltenserklärung ist unwirksam. Wird die Überlassung nach der Festhaltenserklärung fortgeführt, gilt Absatz 1 Nummer 1 bis 1b. Eine erneute Festhaltenserklärung ist unwirksam. § 28e Absatz 2 Satz 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch gilt unbeschadet der Festhaltenserklärung.“ 

Dieser neue Absatz soll eigentlich sicherstellen, dass eine vorsorgliche Festhaltenserklärung vor der Überlassung an den Entleiher nicht wirksam ist. Allerdings gibt der Gesetzeswortlauf hier nicht eindeutig die Gesetzesbegründung wieder. Denn es wird noch zu klären sein, wann die einmonatige Erklärungsfrist beginnt. Bei Kenntnis der Umstände, die einen Scheinwerkvertrag begründen (objektive Kenntnis) oder erst bei Kenntnis der Umstände und einer dabei gleichzeitig rechtlich zutreffenden Einschätzung dieser Kenntnisslage durch den Leiharbeiter (subjektive Kenntnis).

Darüber hinaus müssen sich Entleiher und Verleiher im Klaren darüber sein, dass sie unabhängig von der Festhaltenserklärung als Gesamtschuldner für die Sozialversicherungsbeiträge haften.

Fraglich ist darüber hinaus auch, ob vorformulierte Festhaltenserklärungsmuster, die die Zeitarbeitsfirma dem Leiharbeiter zu Verfügung stellt, einer AGB-Kontrolle unterliegen. Wenn diese Muster als einseitige Willenserklärung im Zweifel auch keiner Inhaltskontrolle unterliegen sollten, könnten sie unter Umständen gegen das Transparenzgebot verstoßen, wenn sie beispielsweise nicht ausreichend aufklären und in der Vorlage nur das Festhalten am ursprünglichen Vertrag fixiert ist, aber nicht erwähnt wird, dass der Leiharbeiter Anspruch auf ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher hat.

Zusammenfassung:

  • Die Änderungen im neuen AÜG treten am 01.04.2017 in Kraft.
  • Ein Schwerpunkt liegt in der Eindämmung der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerkverträge).
  • Bisher kam ein Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Leiharbeiter bei der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nur dann zustande, wenn der Verleiher keine Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung besaß.
  • Durch die Änderung des AÜG soll nun unabhängig von der Erlaubnis der Zeitarbeitsfirma ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeiter zustande kommen, wenn ein Scheinwerkvertrag vorliegt.
  • Allerdings kann der Arbeitnehmer dem Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats widersprechen, indem er eine Festhaltenserklärung unterzeichnet.
  • Nicht ganz eindeutig ist jedoch, wann die einmonatige Frist beginnt. Das Gesetz spricht hier nur von dem für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt zwischen Entleiher und Verleiher.
  • Verleiher und Entleiher haften weiterhin als Gesamtschuldner für die Sozialversicherungsbeiträge.
  • Fraglich ist darüber hinaus auch, ob ein vorformuliertes Festhaltenserklärungsmuster, welches die Zeitarbeitsfirma dem Leiharbeiter zu Verfügung stellt, einer AGB-Kontrolle unterliegen.

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen:

Das neue AÜG bietet auch in Zukunft ausreichend Gestaltungsspielraum. Wir helfen Ihnen gerne bei der Überprüfung Ihrer vertraglichen Grundlagen und dem Fallstrick der Festhaltenserklärung. Wir beraten Sie im gesamten Wirtschaftsrecht und vertreten Sie auch vor dem Arbeitsgericht.

Dr. Patrizia Antoni hat den Fachanwalt für Arbeitsrecht und den Fachanwalt für Steuerrecht. Sie berät Sie in allen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragen gerne. Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn.

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