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Schadensersatz wegen Kündigung im Insolvenzverfahren

Kündigt der Verwalter im Insolvenzverfahren einem Arbeitnehmer nach § 113 S.1 InsO, steht dem Arbeitnehmer unter Umständen ein „Verfrühungsschadensersatz“ nach § 113 S.3 InsO zu. Wird dem Arbeitnehmer jedoch nicht „gekündigt“, sondern schließt er einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber oder vergleicht sich im Kündigungsschutzverfahren, kann dies weitreichende Folgen für den Anspruch aus § 113 S.3 InsO haben.

Im folgenden Beitrag erfahren Sie grundsätzliches über die Kündigung im Insolvenzrecht, sowie über die Bedingungen eines Schadensersatzanspruches aus § 113 S.3 InsO.

Grundsätzliches – die Kündigung nach dem Insolvenzrecht

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geht mit Überschuldung oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners einher. Deshalb besteht bei einem Insolvenzverwalter oft das Interesse an einer schnellen Vertragsbeendigung von Arbeitsverhältnissen, um die Belastung der Insolvenzmasse durch Personalkosten zu verringern. Dafür kann er auf § 113 InsO zurückgreifen, welcher das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters regelt. Diese Kündigung begründet kein insolvenzbedingtes Sonderkündigungsrecht, sondern ist eine ordentliche Kündigung. Für sie gelten die allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts über die Kündigung von Arbeitsverhältnissen.  Es muss also weiterhin auf:

  • das Formerfordernis nach § 623 BGB
  • das Kündigungsschutzgesetz
  • die Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz
  • die etwaige Beteiligung des Betriebsrates

sowie die anderen Kündigungsvoraussetzungen, wie das Vorliegen eines Kündigungsgrundes und eine durchgeführte Sozialauswahl geachtet werden.

Besonderheiten einer Kündigung nach § 113 InsO

Die Kündigung im Insolvenzverfahren unterscheidet sich von der „eigentlichen“ ordentlichen Kündigung in einigen Punkten maßgeblich. So sind in der Regel Arbeitsverhältnisse, in welchen der Ausschluss der ordentlichen Kündigung vereinbart wurde, nur über eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB kündbar. Der § 113 S.1 alt.2 InsO macht hier für den Insolvenzverwalter eine Ausnahme. Durch ihn hat er die Möglichkeit, ein ausgeschlossenes Recht zur ordentlichen Kündigung ohne einen Rückgriff auf den § 626 BGB zu beenden.

Der zweite für den Insolvenzverwalter maßgebliche Unterschied ist die Kündigungsfrist. § 113 S.2 InsO beinhaltet eine Kündigungshöchstfrist von drei Monaten. Dies bedeutet, dass sie nur angewandt wird, sofern keine kürzere tarifvertragliche, gesetzliche oder einzelvertragliche Kündigungsfrist anzuwenden ist.

Die Frist des § 113 S.2 InsO geht als Spezialgesetz allen längeren Kündigungsfristen vor, ganz gleich ob diese gesetzlich oder vertraglich festgehalten wurden oder ob es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis handelt.

Durch den § 113 InsO ist es dem Insolvenzverwalter zudem möglich, sogenannte „Nachkündigungen“ auszusprechen um bereits durch den Arbeitgeber gekündigte Mitarbeiter erneut zu kündigen und so die längeren Kündigungsfristen des Arbeitgebers aufzuheben und durch die Frist des § 113 S.2 InsO von drei Monaten zu ersetzen.

Schadensersatzanspruch aus § 113 S.3 InsO

Gemäß § 113 S.3 InsO kann der Arbeitnehmer aufgrund der verfrühten Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter, einen Schadensersatzanspruch wegen der vorzeitigen Kündigung geltend machen. Der Anspruch umfasst den „Verfrühungsschaden“ des Arbeitnehmers. Im Rahmen des § 113 S.3 InsO wird der Schaden ersetzt, der durch die vorzeitige Kündigung, also durch die „Verfrühung“ entstanden ist. Der Geschädigte kann das fordern, was er an Gehalt, Lohn und Nebenleistungen, wie beispielsweise die privaten Handy- und Fahrzeugnutzungsmöglichkeiten, bei Geltung einer regulären Kündigung erhalten hätte.

Ist im Arbeitsvertrag eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen, würde sich dadurch für den Arbeitnehmer durch die Kündigung des Insolvenzverwalters ein „unendlicher“ Verfrühungsschaden ergeben, weil er ohne die „Verfrühung“, nie ordentlich gekündigt werden könnte. Da dies ein unbilliges Ergebnis und für jeden Arbeitgeber und Insolvenzverwaltern ein untragbarer Zustand wäre, gilt hier für den Arbeitnehmer die ohne die vereinbarte Unkündbarkeit längste ordentliche Kündigungsfrist.

Der Arbeitnehmer muss sich gemäß § 254 BGB auf den Verfrühungsschadensersatz dasjenige anrechnen lassen, was er durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an Aufwendungen erspart oder infolge eines neuen Arbeitsverhältnisses verdient hat. Zudem muss er sich auch anrechnen lassen, was er zu erwerben schuldhaft unterlässt.

Denkt er also: „Diesen Job nehme ich nicht an, sonst verfällt mein Anspruch auf Verfrühungsschadensersatz“, muss er sich die deshalb entgangenen Verdienste anrechnen lassen. Die Unterlassung muss nicht böswillig wie in diesem Beispiel sein. Für eine Schadensminderung im Insolvenzrecht reicht schon jede Fahrlässigkeit aus. Versäumt er beispielsweise fahrlässig ein ausgemachtes Vorstellungsgespräch und  erlangt deshalb einen Job nicht, muss er die entgangenen Einnahmen von seinem Anspruch auf Verfrühungsschadensersatz abziehen.

Der Arbeitnehmer kann den Schadensersatzanspruch aus § 113 S.3 InsO als Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO geltend machen. Dies bedeutet, dass er seine Forderung gem. § 174 I InsO beim Insolvenzverwalter schriftlich anmelden muss, um diese zur Insolvenztabelle hinzufügen zu lassen. Seine Forderung reiht sich dadurch in die Forderungen der anderen Insolvenzgläubiger ein.

Wenn die Gesamtforderungen der Insolvenzgläubiger die Insolvenzmasse des Schuldners übersteigen, kommt es zur Schuldtilgung nach der sogenannten Insolvenzquote. Diese wird in Prozent festgelegt und hängt von der Höhe der Forderungen anderer Gläubiger ab. Die Insolvenzquote benennt den Anteil einer Forderung, die durch die Insolvenzmasse gedeckt wird und einem Gläubiger zusteht.

Zum näheren Verständnis ein Beispiel:

Der Arbeitnehmer N wurde nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter seines Arbeitgebers nach § 113 S.1 InsO gekündigt. Ihm steht, durch die verfrühte Kündigung, ein Schadensersatzanspruch aus § 113 S.3 InsO iHv. 10.000 € zu. Diesen Anspruch meldet er gem. § 174 InsO schriftlich bei dem Insolvenzverwalter an, der diesen in die Insolvenztabelle einträgt. Die Forderung des N reiht sich damit in die Forderungen der anderen Gläubiger seines ehemaligen Arbeitgebers ein. Die Schulden des Betriebes übersteigen die Insolvenzmasse und der Insolvenzverwalter ermittelt eine Insolvenzquote von 20 %. Dies ist die Quote, die dem N von seiner Forderung zur Befriedigung aus der Insolvenzmasse zusteht. N erhält somit von seiner Forderung über 10.000 € lediglich 20 %, also 2.000 € nach der Insolvenzquote.

Bei einer Insolvenz ist die Aufteilung des Geldes nach einer Insolvenzquote der Regelfall. Die durchschnittliche Insolvenzquote beträgt meist weniger als sechs Prozent. Dies führt schlussendlich dazu, dass die Erfolgsaussichten eines solchen Anspruches gering sind.

Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches

Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches sind in § 113 S.3 InsO geregelt. Es muss ein Arbeitsverhältnis bestehen, das Insolvenzverfahren muss eröffnet sein und der Insolvenzverwalter muss dem Arbeitnehmer gekündigt haben. Die Kündigung des Insolvenzverwalters ist für den Schadensersatzanspruch maßgeblich. Der § 113 S.3 InsO ersetzt nur den „Verfrühungsschaden“ durch die herabgesetzte Kündigungsfrist. Dies bedeutet aber auch, dass jeder Schaden der nicht durch eine verfrühte Kündigung durch den Verwalter entsteht, nicht nach § 113 S.3 InsO ersetzt werden kann. Einigen sich beide Parteien beispielsweise innerhalb eines Aufhebungsvertrages oder der Arbeitnehmer kündigt von sich aus, liegt keine „verfrühte Kündigung“ durch den Insolvenzverwalter vor und es kann auch kein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden.

Wie wichtig der Punkt der Kündigung im Insolvenzverfahren ist, wird durch die Entscheidung des BAG vom 19.11.2015 deutlich.

Urteil des BAG 6 AZR 558/14

Bei dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts - 6 AZR 558/14, stritten die Parteien darum, ob ein Schadensersatzanspruch nach § 113 S.3 InsO dann erlischt, wenn dem Arbeitnehmer zwar in der Insolvenz gekündigt wurde, aber die Parteien sich dann im späteren Kündigungsschutzprozess vergleichen.

Hier entschied das BAG, dass durch den Vergleich der Parteien im vorangegangenen Prozess, die – für einen Anspruch aus § 113 S.3 maßgebliche – Kündigung durch den Insolvenzverwalter gegenstandslos geworden ist. Damit fehlte es aus der Sicht des BAG an einem, für die Gewährung des Anspruches maßgeblichen Punkt und die Klage scheiterte.

Der Anspruch auf Schadensersatz erlischt demnach nicht nur durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung, sondern auch wenn der Insolvenzverwalter kündigt, aber nachher ein anderer Beendigungstatbestand die Kündigung gegenstandslos macht.

Die Fakten im Überblick

  • Die Kündigung nach § 113 InsO ist eine ordentliche Kündigung. Es finden alle allgemeinen Kündigungsvoraussetzungen des Arbeitsrechts Anwendung.
  • Über § 113 InsO kann der Insolvenzverwalter Arbeitsverhältnisse bei welchen ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung vereinbart wurde, dennoch ordentlich kündigen.
  • Die Frist des § 113 InsO ist eine Kündigungshöchstfrist von drei Monaten und geht allen längeren Kündigungsfristen vor.
  • Kündigt der Insolvenzverwalter einem Arbeitnehmer, kann dieser einen Schadensersatzanspruch auf „Verfrühungsschaden“ nach § 113 S.3 geltend machen.
  • Dafür ist es wichtig, dass der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis kündigt und es nicht durch Aufhebungsvertrag, Vergleich oder einen anderen Beendigungstatbestand endet, der die Kündigung gegenstandslos macht.

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen

Kündigungen und Insolvenzverfahren sind für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein regelmäßiger Streitpunkt. Sollten Sie Fragen bezüglich der Durchsetzung eines Anspruches oder sonstige Fragen im Arbeits- oder Insolvenzrecht haben, beraten wir Sie gerne kompetent und umfassend.

Dr. Patrizia Antoni ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Steuerrecht. Sie berät Sie in allen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragen gerne. Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn.

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