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Streik und Streikrecht der Arbeitnehmer

Jeder Streik in den städtischen Kindergärten, bei der Lufthansa oder der Deutschen Bahn erzeugt ein großes mediales Interesse. Durch einen Streik können Arbeitnehmer Druck auf ihren Arbeitgeber ausüben. Häufig sind dabei aber auch unbeteiligte Außenstehende die Leidtragenden. Trotzdem ist das Streikrecht der Arbeitnehmer ein verfassungsrechtlich stark geschütztes Gut. Insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Mitgliedsstaaten (Frankreich, Griechenland, Italien, Spanien oder Großbritannien) sind die Auswirkungen von Streikmaßnahmen in Deutschland noch vergleichsweise gering.

Im folgenden Blog wird erläutert, wie ein Streik arbeitsrechtlich zu qualifizieren ist, welche Voraussetzungen für einen legalen Streik vorliegen müssen und wie der Arbeitgeber auf einen Streik reagieren kann. Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen den Arbeitnehmer unter Umständen treffen können, erfahren Sie am Ende des Beitrags neben einer kurzen Zusammenfassung.

Grundsätzliches zum Streik:

Streik, auch Arbeitskampf genannt,  ist ein Kampf nach Regeln, die sich von Fall zu Fall ändern können.

Ein spezielles Streikgesetz, das die Bedingungen und Voraussetzungen für den Streik regeln, gibt es bis heute nicht. Das Streikrecht der Arbeitnehmer ist jedoch verfassungsrechtlich durch die sogenannte Koalitionsfreiheit mitgeschützt, Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Dabei ist das Streikrecht eine Ausprägung der Tarifautonomie zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft. Durch die Billigung von Streiks soll den Gewerkschaften die Möglichkeit gegeben werden, als Verhandlungspartner der Arbeitgeber ein Druckmittel gegen diesen zu haben;  die sogenannte "Verhandlungsparität".

Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich dabei wesentlich aus dem Gewohnheitsrecht und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und des Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelt.

Ein Streik liegt vor, wenn mehrere Arbeitnehmer gemeinsam die Arbeit niederlegen um durch Druck auf den Arbeitgeber kollektivrechtliche Ziele durchzusetzen. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass diese Arbeitnehmer gemeinsam die Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht (=Arbeitsleistung) verweigern. Da die Arbeitnehmer ihr Arbeitsverhältnis natürlich vor einem Streik das Arbeitsverhältnis nicht kündigen, verletzen sie somit ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten hat normalerweise arbeitsrechtliche Konsequenzen. Allerdings sind Streiks arbeitsrechtlich erlaubt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Streik vorliegen. Ein rechtmäßiger Streik führt deshalb nicht zu individuellen Sanktionen bzw. Strafmaßnahmen für den Arbeitnehmer.

Wann ist ein Streik rechtmäßig?

Damit ein Streik rechtmäßig ist und keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen, müssen im wesentlichen die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  • Der Streik darf nur von einer tariffähigen Partei geführt werden. Das sind die Gewerkschaften, die rechtlich befugt sind, einen Tarifvertrag abzuschließen. Aus diesem Grund ist der Betriebsrat nicht befugt, einen rechtmäßigen Streik auszurufen, da der Betriebsrat keine Tarifverträge aushandeln darf.
  • Der Streikgrund muss Regelungen zum Ziel haben, die Gegenstand eines Tarifvertrags sein können, beispielsweise Lohn- und Gehaltsvereinbarungen, Tarifgruppen, Arbeitszeiten oder die Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersrente. Nicht Gegenstand eines Streiks sind somit politische Streiks (zum Beispiel ein Streik gegen bestimmte Besteuerungsgrundsätze) oder Sympathiestreiks (um gegen die Entlassung eines Arbeitskollegen oder die Schließung einer Betriebsstätte zu demonstrieren).
  • Bevor überhaupt gestreikt werden darf, muss die sogenannte Friedenspflicht eingehalten werden. Solange ein Tarifvertrag noch gültig ist, darf vor dessen Ablauf nicht gestreikt werden. Der Sinn und Zweck des Tarifvertrags liegt ja gerade darin, seine Bestimmungen für die Dauer seiner Gültigkeit zu regeln und Rechtssicherheit zu bieten.
  • Im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung muss der Streik das letzte Mittel darstellen („ultima ratio“). Allerdings stellt die Rechtsprechung hieran keine allzu großen Voraussetzungen. Die Beurteilung hängt immer vom Einzelfall ab. Grundsätzlich müssen allerdings überhaupt einmal Verhandlung zwischen den Arbeitsparteien stattgefunden haben. Wenn diese nicht zum Erfolg führen, kann ein Streik erforderlich sein, um die Verhandlungsparität zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft wieder herzustellen. Deshalb ist beispielsweise ein Streik unzulässig, durch den die Gewerkschaft vor der Aufnahme von Verhandlungen einfach nur Stärke demonstrieren möchte. Ein Warnstreik ist dann zulässig, wenn Verhandlungen stattgefunden haben, aber kein Ergebnis erzielt wurde. Hieran zeigt sich bereits, dass das BVerfG und das BAG keine allzu großen Voraussetzungen an das Merkmal der ultima ratio stellen.
  • Außerdem muss das Streikziel mit den Streikmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Auch hieran werden keine allzu großen Voraussetzungen geknüpft und eine Beurteilung findet immer für den jeweiligen Einzelfall statt. Jedenfalls darf kein evidentes Missverhältnis zwischen dem Nutzen und den Folgen der Streikmaßnahme bestehen.

Wie der Arbeitgeber reagieren kann:

Zunächst einmal verlieren die Arbeitnehmer, die am Streik teilnehmen, ihren Anspruch auf das Arbeitsentgelt. Dies passiert von Rechts wegen, ohne dass der Arbeitgeber hier besondere Schritte proaktiv einleiten muss.                                   Die Arbeitnehmer, die Mitglied der streikenden Gewerkschaft sind, bekommen in der Regel als Ausgleich ein Streikgeld von der Gewerkschaft gezahlt. Arbeitnehmer, die nicht Mitglied in einer Gewerkschaft sind, überlegen daher in der Regel sehr genau, ob und wie lange sie unbezahlt an einem Streik teilnehmen.

Der Arbeitgeber hat aber auch die Möglichkeit, alle Arbeitnehmer im Betrieb durch eine Erklärung auszusperren. Das bedeutet, dass die gesamte Belegschaft nicht arbeiten darf und kein Arbeitsentgelt erhält. Dies trifft dann besonders die Arbeitnehmer, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind, da sie von der Gewerkschaft als Nicht-Mitglied natürlich auch kein Streikgeld erhalten. Somit erhöht sich die Wut der nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer und damit der Druck auf die Gewerkschaft. Außerdem muss die Gewerkschaft mehr Streikgeld bezahlen. Das liegt daran, dass sie bei einer Aussperrung auch den Gewerkschaftsmitgliedern Streikgeld zahlen muss, die eigentlich arbeitswillig waren und deshalb ihr normales Arbeitsentgelt erhalten hätten. Das hat zur Folge, dass die Gewerkschaft sowohl einen erhöhten finanziellen Druck, als auch den Druck der Nicht-Mitglieder spürt.

Eine weitere Maßnahme, die von der Rechtsprechung des BAG gebilligt wird, ist die Streikbrecherprämie (oder auch Streikbruchprämie). Hierbei zahlt der Arbeitgeber als Motivation eine Sonderprämie an einen bestimmten Kreis der Arbeitnehmer, die nicht am Streik teilnehmen.

Konsequenzen für den Arbeitnehmer:

Der Arbeitnehmer hat keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen für seine Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik zu befürchten. Hierdurch ruhen nur seine Arbeitspflicht und sein Anspruch auf Entgeltzahlung.

Bei einem unrechtmäßigen Streik, bei dem die o.g. Voraussetzungen nicht vorliegen, droht dem Arbeitnehmer aber eine Abmahnung und im Wiederholungsfall unter Umständen sogar eine verhaltensbedingte Kündigung. Wenn dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden ist, weil der Arbeitnehmer an einem unrechtmäßigen Streik teilgenommen hat, kann der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber sogar schadensersatzpflichtig sein. (Siehe hierzu auch die Arbeitnehmerhaftung.)

Zusammenfassung:

  • Das Streikrecht ist nicht in einem speziellen Gesetz geregelt.
  • Es ist ein Aspekt der sogenannten Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG.
  • Das Streikrecht entwickelt sich hauptsächlich aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BAG.
  • Ein Streik liegt vor, wenn mehrere Arbeitnehmer gemeinsam die Arbeit niederlegen um durch Druck auf den Arbeitgeber kollektivrechtliche Ziele durchzusetzen.
  • Ein rechtmäßiger Streik muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit er rechtmäßig ist. (Tariffähige Partei, tariflich regelbares Ziel, Einhaltung der Friedenspflicht und als letztes Mittel auch verhältnismäßig sein.)
  • Die Arbeitnehmer, die am Streik teilnehmen, verlieren für die Dauer der Teilnahme am Streik den Anspruch auf das Arbeitsentgelt.
  • Gewerkschaftsmitglieder erhalten in der Regel von der Gewerkschaft Streikgeld während der Streiktage.
  • Der Arbeitgeber kann als Gegenmaßnahme auf den Streik die gesamte Belegschaft aussperren.
  • Dann verlieren auch die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer ihren Anspruch auf das Arbeitsentgelt. Somit erhöht sich der Druck für die Gewerkschaft.
  • Außerdem kann der Arbeitgeber eine Streikbrecherprämie anbieten.
  • Bei der Teilnahme an einem nicht rechtmäßigen Streik droht dem Arbeitnehmer eine Abmahnung und im Wiederholungsfall unter Umständen eine Kündigung. Schlimmstenfalls muss der Arbeitnehmer Schadensersatz leisten, wenn dem Arbeitgeber ein Schaden durch die Teilnahme an einem unrechtmäßigen Streik entstanden ist.

Hilfe bei arbeitsrechtlichen Fragen:

Wir unterstützen und beraten Sie in allen arbeitsrechtlichen Fragen zum Individualarbeitsrecht und Kollektivarbeitsrecht. Dabei haben wir aufgrund unserer jahrelangen Expertise im Wirtschaftsrecht immer einen 360-Grad Blickwinkel auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Besonderheiten Ihres Falls.

Dr. Patrizia Antoni hat den Fachanwalt für Arbeitsrecht und den Fachanwalt für Steuerrecht. Sie berät Sie gerne in allen Fragen zum Arbeitsrecht. Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln oder Bonn.

Beitrag veröffentlicht am
27. September 2015

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